Misstrauen in institutionelle Vorgänge säen

Gert Wöllmann lässt sich über das Engagement Thomas Wasilewskis aus und zweifelt die Berechtigung für die Leistungsbezüge an – ohne Kenntnis des Vorgangs, so steht zu vermuten. Damit sät er Misstrauen in institutionelle Vorgänge der Leistungsbewilligung, als sei die Beantragung ein Zuckerschlecken und werde den Antragsberechtigten allen hinterhergeworfen.

Sascha Liebermann

„Es braucht ein Recht auf Arbeit – für alle“…

…ein revolutionärer Vorschlag, den Anna Mayr in ihrem Beitrag auf Zeit Online ausarbeitet – doch handelt es sich um eine olle Kamelle, einen Vorschlag, der zu den Beständen der Sozialpolitikdiskussion gehört und allenfalls in den letzten Jahren weniger Aufmerksamkeit erhalten hat, zumindest unter dieser Bezeichnung. Als „Job Guarantee“ oder Jobgarantie hingegen ist er in den Diskussionen der letzten Jahre ziemlich präsent (siehe unsere Beiträge dazu hier und hier). Wie eine Job Guarantee in der Praxis aussehen kann, lässt sich an diesem Projekt in Marienthal studieren. Guy Standing hat sich vor einiger Zeit ebenfalls zur Jobgarantie geäußert, siehe hier ab Minute 49 (Dank für den Hinweis an Eric Manneschmidt).

Was schlägt nun Frau Mayr vor und weshalb?

Wenn sie schreibt

„Tatsächlich gibt es eine Sache, bei der Union und SPD ideologisch zusammenkommen könnten. Ein neuer Fokus in der Debatte über Arbeitslosigkeit, der wirklich eine Neuerung wäre: das Recht auf Arbeit. Für alle.“

dann ist das also alles andere als ein Novum, wenn der Diskurshorizont etwas weiter gedacht wird. Wie eng zugleich der Blick auf die Fragen ist, die mit der Jobgarantie verbunden werden, zeigt sich hier:

„Es braucht ein Recht auf Arbeit – für alle“… weiterlesen

„Die Bedeutung des Erwerbsarbeitsparadigmas bei jungen Erwachsenen…

… Sequenzanalytische Rekonstruktionen von Deutungsmustern zu Erwerbsarbeit in der Generation der 1985 bis 1995 Geborenen“.

Diese von Andreas Zäh verfasste Dissertation, die kürzlich erschienen ist, ist für die gegenwärtige Diskussion um „Fördern und Fordern“, schärfere Sanktionen und das Leistungsverständnis im Allgemeinen sehr aufschlussreich, weil sie aufzeigt, wie in der untersuchten Generation das Verständnis von Leistung sich ausgeformt hat. Die Entleerung des Leistungsverständnisses wird in den Analysen eindrücklich herausgearbeitet und wirft Folgefragen auf. Wie ist es möglich, dass auf der einen Seite Leistung einen enormen Stellenwert hat, der Bezug zur Sachhaltigkeit der Leistung aber in den Interviews nicht zu erkennen ist, man eher von einer Leistungsinszenierung sprechen könnte? Welche Folgen hat dies, wenn Leistung von ihrem Sachbezug befreit wird, für ein Gemeinwesen und dessen Selbstverständnis? Man beachte hierbei, dass diese Entwicklung eine Generation betrifft, die mit der Debatte um „Hartz IV“ und „beinahe jede Arbeit ist besser als keine“ aufgewachsen ist, in der Beschäftigung entscheidend war, nicht aber, ob diese zur Wertschöpfung auch notwendig ist. Wie die jüngere Diskussion um das Bürgergeld gezeigt hat, hat sich daran nichts verändert, man könnte auch sagen, „Hartz IV“ feiere Urständ. Nicht selten wird die Neuausrichtung des Bürgergeldes ja auch damit begründet, Leistung wieder mehr Gewicht geben zu wollen, aber welcher Form von Leistung, dem Geschäftigsein, der Leistungsinszenierung oder geht es wirklich um ein sachhaltiges Verständnis davon, eines das an Problemlösung interessiert ist? Wenn letzteres gelten sollte, geht die Diskussion samt ihrer Vorschläge in die grundlegend falsch Richtung.

Hier geht es zur Leseprobe

Sascha Liebermann

„Care & Gender – Potentials & Risks of Universal Basic Income (UBI)“…

…der Tagungsband zur Jahrestagung des Freiburg Institute for Basic Income Studies 2023 ist nun Open Access verfügbar, siehe hier.

Darin ist auch ein Beitrag von Ute Fischer und Sascha Liebermann enthalten, der sich mit dem Stellenwert nicht-standardisierter Methoden in der Forschung zum Bedingungslosen Grundeinkommen befasst.

Was folgt nun daraus?

Hier geht es zur Studie, auf die BGE-Eisenach Bezug nimmt.

Siehe unsere Kommentare zu solchen Experimenten hier: Pilotprojekt Grundeinkommen.

Sascha Liebermann

Feature zum Grundeinkommen im WDR

Siehe auch folgende Kommentare von uns:

– zum Pilotprojekt Grundeinkommen

– zu Ausführungen von Dominik Enste, Clemens Fuest, Andreas Peichl und vielen anderen

Da wir schon seit 2006 die Diskussion um ein Bedingungsloses Grundeinkommen in diesem Blog kommentieren, sind einige Beiträge zusammengekommen. Wer sich über die Debatte seitdem informieren will, kann den Blog auch nach Monaten durchsuchen.

„Hier offenbart sich die ganze Machtlosigkeit beim Bürgergeld“…

…ein Beitrag von Jan Klauth auf Welt.de, der tiefgründige Einsichten in die Wirklichkeit des Bürgergeldes verspricht. Doch alle drei Fälle, die präsentiert werden, eignen sich kaum, um für schärfere Sanktionen zu plädieren, wie die Mitarbeiter des Jobcenters selbst erkennen lassen. Weshalb dann diese Schlagzeile?

Hier ein Beispiel, das im Beitrag verhandelt wird:

„Der „Kunde“, den die Berater in der Steinmetzstraße suchen, ist ein Extremfall – und doch keine Seltenheit. Der 57-jährige Issam H. ist wohl staatenloser Palästinenser, so genau weiß man das auf dem Amt auch nicht. Fest steht nur: Vor über 20 Jahren kam der Mann aus dem Libanon nach Berlin. Weder lernte er ernsthaft Deutsch, noch hat er in all diesen Jahren seinen Lebensunterhalt selbst bestritten. ‚Vor acht Jahren haben wir ihn das letzte Mal gesehen‘, sagt Eichenseher, 54, schwarze, kurze Haare, Berliner Dialekt. Das Geld fließt trotzdem, die Behörden haben kaum Handhabe, die Zahlungen einzustellen. Frau H. bezieht ebenfalls Bürgergeld, wird allerdings als Teilnehmerin eines Ein-Euro-Jobs beim Amt geführt, dazu kommen die Regelsätze für drei Kinder und die Miete, die übernommen wird. Die Ehefrau ist es auch, die nun gegenüber Eichenseher und Becker beteuert, dass ihr Mann nicht in der Lage sei, zu arbeiten. Er habe Diabetes, sagt sie beim Hausbesuch. Die Jobcenter-Mitarbeiter hören davon zum ersten Mal. ‚Wenn er nicht arbeiten kann, braucht er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung‘, sagt Becker. ‚Okay‘, entgegnet die Frau und es bleibt unklar, ob sie versteht, was gemeint ist. Acht Jahre nicht auf dem Amt erschienen, kein Arzt, der je dokumentiert hat, dass der Mann nicht erwerbsfähig ist, aber Monat für Monat Überweisungen vom Jobcenter. Wie kann das sein?“

„Hier offenbart sich die ganze Machtlosigkeit beim Bürgergeld“… weiterlesen