Kolumnistin Zhang Danhong hat für die Deutsche Welle von einer Erfahrung berichtet, die sie im Urlaub gemacht hat. Der Titel des Beitrags mag zuerst irritieren. Worum geht es? Arno Dübel wurde in einer Maischberger-Sendung (etwa 2008) vorgestellt als „glücklicher Arbeitsloser“, der sein dreißigjähriges Jubiläum feierte. Zu dem Zeitpunkt war Arno Dübel schon als Vorzeigearbeitsverweigerer durch die Medien gereicht und vorgeführt worden. Dass er an den Fernsehauftritten und der demonstrativen Erwerbsverweigerung Gefallen fand, ist ihm anzusehen in manchem Mitschnitt, der kursiert. Fast adoleszent trotzig wirkt er da. Man wüsste gerne mehr über seine Lebensgeschichte. Ich meine mich zu erinnern, dass in einer dieser Sendung er auf die Frage, was er denn so mache, erzählte, dass er seine Mutter gepflegt und sich noch anderweitig engagiert hat, nicht aber erwerbsförmig. Es ist also keineswegs so, dass er gar nichts gemacht hätte, nur zählte das nicht als Arbeit, es war eben keine Erwerbsarbeit.
Was schreibt nun Frau Danhong über Arno Dübel? Nachdem sie in Erinnerung ruft, was in den Medien verbreitet wurde, schreibt sie:
„Seitdem geht mir der glücklichste oder frechste (je nach Blickwinkel) Arbeitslose Deutschlands nicht mehr aus dem Kopf. Was macht er heute? Der letzte Bericht über ihn stammt aus dem Jahr 2015. Mit 59 Jahren wurde er bereits in einem Altenheim untergebracht. Geistige und körperliche Verödung durch Nichtstun? Natürlich ist Arno Dübel kein repräsentativer Arbeitsloser. Auf der anderen Seite ist Faulsein menschlich. Dass er die Faulheit auf die Spitze treibt und damit kokettiert, macht seinen Unterhaltungswert aus.“
Alleine die Frage, ob Nichtstun zu geistiger und körperlicher Verödung führen können, ist suggestiv. Warum nicht fragen, was wohl geschehen ist, dass jemand ein solches Leben führt wie er, der sich in den Medien vorführen lässt und stets die Seite herauskehrte, sich zu verweigern?
Was macht Frau Danhong stattdessen?
„Man kann auch sagen: In jedem von uns steckt ein Arno Dübel – mal mehr, mal weniger. Wenn ich bei 34 Grad Celsius mit einem benebelten Hirn eine originelle und möglichst witzige Kolumne ausbrüten muss, frage ich mich, was Arno Dübel früher an einem solchen schwülheißen Tag wohl gemacht hat. Erst mal bis in die Puppen schlafen, dann gemächlich aufstehen, vor dem Fernseher einen Kaffee schlürfen, dann mit dem Hund spazieren gehen, möglichst im Schatten.“
Sie reproduziert das Klischee des herumhängenden Arbeitslosen, der den lieben Gott einen guten Mann sein lässt. Womöglich braucht die Autorin nur einen Aufhänger für ihre Geschichte, doch hätte sie das nicht anders machen können, als mit diesem Klischee aufzuwarten? Wer weiß schon wirklich etwas über Arno Dübel jenseits seiner Mediengeschichte?
Leider geht es in dem Beitrag dann weiter im selben Duktus:
„Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich könnte nicht so leben wie Arno Dübel. Ich glaube, das können die wenigsten Chinesen. Wir sind ein emsiges Völkchen und so erzogen worden, alles zu tun, damit die Eltern, Großeltern und alle Vorfahren stolz auf uns sind und unsere Kinder zu uns hochschauen können. In unserem Leben ist eigentlich gar kein Platz für Arno Dübel. Oder doch?“
Dann wird klar, wozu das ganze dient, das BGE wird ins Gespräch gebracht:
„Ist die Idee nun wirklich so abwegig? Früher hätte ich die Frage sofort bejaht: Linke Spinnerei, als ob das Geld aus der Steckdose käme. Doch seit ich Arno Dübel kenne, bin ich mir da nicht mehr so sicher.“
Wie kommt es nun zu diesem Umschwung? Was hat das noch mit Arno Dübel zu tun?
Die Autorin rechnet dann vor, dass es für Arno Dübel „gehopst wie gesprungen“ gewesen wäre, ob er statt der Leistungen vom Jobcenter dann ein BGE erhalten hätte. Stimmt das? Ja, aber nur wenn ausschließlich der Geldbetrag betrachtet wird, sie veranschlagt die Kosten auf etwa 1000 Euro (ohne Ausgaben für Sozialverwaltung). Der Betrag ist dabei nicht entscheidend, es ist der Weg, wie er bereitgestellt wird. Nicht nur erspart ein BGE die Sozialverwaltung, sofern es dabei bleibt, es hebt vor allem die strukturelle Stigmatisierung der Leistungsbezieher auf. Sie müssen sich nicht mehr vor der Behörde erklären, wie sie denn zu Erwerbsarbeit stehen. Dübels adoleszent trotzige Haltung ist durchaus eine Antwort auf das beharrliche Ansinnen, er müsse doch arbeiten gehen. Die Medien sind genau auf dieser Haltung herumgeritten. Mit dem BGE hat sie jedoch nichts gemein. Es geht also nicht um den Betrag, es geht darum, wofür er steht durch die Art und Weise, wie er zuerkannt wird. Die Bedingungslosigkeit ist entscheidend, weil sie die Bürger so nimmt, wie sie sind, ganz der liberalen Demokratie gemäß, in der die Bürger als Bürger gelten, weil sie Bürger sind.
Zum Schluß des Beitrags fragt die Autorin:
„Beim letzten Punkt regen sich aber Zweifel bei mir. Ob das Grundeinkommen Kreativität freisetzt oder doch zu wenige Arbeitszeit führt, darüber streiten die Experten. Die entscheidende Frage ist, wieviel Arno Dübel in uns allen steckt?“
Nein, es hat mit Arno Dübel nichts zu tun, der hier klischeeartig als Widerpart angeführt wird. Nur in einem Sinne könnte das gelten: Arno Dübel ist, wie er ist, wie alle sind, wie sie sind. Genau darauf richtet sich das BGE, alle so sein zu lassen, wie sie sind, das macht ihre Würde aus.
Sascha Liebermann