…führt zu grotesken Auswirkungen, sofern ein Einkommen aus selbständiger/ freiberuflicher Tätigkeit 450 Euro monatlich überschreitet. Im hier interessierenden Beispiel geht es um das Einkommen aus Lehraufträgen an Hochschulen.
Bekannt ist seit langem, dass deutsche Hochschulen einen erheblichen Anteil ihrer Lehre durch Lehrbeauftragte bestreiten (50-70 % je nach Fach). Einst als Ergänzung gedacht, gehören sie heute zum festen Bestandteil des Hochschulalltags und sie werden schlecht vergütet. Die zu erfüllenden Voraussetzungen, um einen Lehrauftrag zu erhalten, können hoch sein – je nach Fach bis zur Promotion.
Dieser Missstand hat noch eine andere Seite, die womöglich weniger bekannt, aber nicht weniger skandalös ist. Wer über das Jahr gerechnet ein Durchschnittseinkommen von 450 Euro monatlich überschreitet, fällt unter die Sozialversicherungspflicht in der Deutschen Rentenversicherung und muss dort Beiträge entrichten.
Genauso werden Beiträge zur Krankenversicherung fällig, in der gesetzlichen sind das mindestens 203 Euro monatlich in 2021 [Nachtrag: die Höhe hängt vom Beitragssatz der Krankenversicherung ab]. Addiert man den Beitrag zur Rentenversicherung hinzu, ist schnell die Hälfte des Einkommens weg. Da bleibt nur, Grundsicherung zu beantragen, sofern man über keine anderen nennenswerten Einkommen verfügt.
Es wird hieran deutlich, wie sehr der deutsche Sozialstaat auf dauerhafte Angestelltenverhältnisse ausgelegt ist und wie wenig unstete Erwerbsarbeitsverhältnisse Berücksichtigung finden. Es kann auch gute Gründe geben, nur Lehraufträge wahrnehmen zu wollen, immerhin ist man damit von manchen Verpflichtungen im Hochschulbetrieb befreit, der Preis aber ist das geringe Einkommen. Gäbe es eine Einkommensabsicherung anderer Art wie ein Bedingungsloses Grundeinkommen, wäre die Lage sofort anders sowohl in der Gegenwart als auch bezüglich der Rente.
Siehe dazu auch hier und hier.
Sascha Liebermann