1500 € für's Nichtstun. Grundeinkommen statt Hartz IV

Am 26. September sendete das RBB-Fernsehen in der Sendung „Klipp und Klar“ eine Diskussion über das Grundeinkommen (Video). Teilnehmer waren Götz W. Werner, Thilo Sarrazin, Katja Kipping und Gunter Gabriel.

Für die Lage in unserem Land bezeichnend waren die Ausführungen des Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin (SPD). Statt von der Regel auszugehen, müssen – so sein Credo – politische Entscheidungen nach der Ausnahme gestaltet werden: Weil es Eltern gebe, die sich nicht um ihre Kinder kümmern, müssen alle Eltern kontrolliert werden; weil es Bürger gebe, die keinen Beitrag zum Gemeinwohl leisten, müssen alle Bürger kontrolliert werden. Weil es heute Ausnahmen gebe, können wir daraus folgern, muß die Regel sich nach den Ausnahmen richten. Zuguterletzt bescheinigte der in sein Amt gewählte und damit zur Gestaltung beauftragte Politiker dem Vorschlag Herrn Werners, er sei utopisch, denn: In Zeiträumen von 25 Jahren zu denken, bis ein bedingungsloses Grundeinkommen bis zur wünschenswerten Höhe eingeführt wäre, gehe an den Möglichkeiten der Politik vorbei. Heute werde nur für kurze Zeiträume entschieden, dann komme eine andere Regierung.

Wer, muß man sich unweigerlich nach dieser Sendung fragen, lebt denn nun im Wolkenkuckucksheim, die Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens oder diejenigen, die es für abwegig halten?

Erleben wir etwa nicht in unserem Land einen gewaltigen Umfang an bürgerschaftlichem Engagement, ohne das es keine Vereine, keine caritativen Einrichtungen und auch keine Parteien gäbe? Hätte unser Gemeinwesen in der Vergangenheit schon von Bestand sein können, wenn die Bürger ihre Verantwortung nicht in die Hand genommen hätten? Werden Familien gegründet und sorgen Eltern hingebungsvoll für ihre Kinder, weil sie kontrolliert werden oder eine Prämie erhalten? All dies kann sich nur ausdenken, wer die Freiheit fürchtet und nicht wahrhaben will, daß wir längst im Geist der Freiheit leben – nichts anderes bezeugt unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung.

Ein Politiker, der den Gestaltungsauftrag, den ihm die Bürger erteilen, nicht mehr ernstnimmt, hat seinen Beruf verfehlt. Was kann man von einem Politiker erwarten, der das Denken in kurzen Zeiträumen zur Maxime erhebt? Wird er Lösungen für unsere Probleme erdenken, mit denen wir zuversichtlich in die Zukunft blicken können? Wohl kaum.

"Einkommen schafft Arbeit – Mehrwert durch Grundeinkommen"

Am 26. September startete die zweiwöchige Veranstaltungsreihe „Einkommen schafft Arbeit – Mehrwert durch Grundeinkommen“ der Initiative Grundeinkommen (Schweiz). Im Blog der Initiative wird über die einzelnen Veranstaltungen berichtet, hier über die mit Sascha Liebermann. Auch aktuelle Pressereaktionen sind dort abgelegt.

Brennpunkt "Grundeinkommen" in der taz

– Kommentar von Hannes Koch: „Bedingungslos ehrlich“

– „Pauschalen schaffen Anreize“: Interview mit FDP-Bundestagsabgeordnetem Michael Kauch

– „Die gefährliche Freiheit: Alle Bundestagsparteien diskutieren über das Grundeinkommen als Alternative zum Zwangssystem Hartz IV – nur nicht die SPD“

… und weitere Artikel.

Initiative 50Plus, Vorruhestand und längere Lebensarbeitszeit

Von hinten durch die Brust ins Auge.

Seit März diesen Jahres propagiert das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die „Initiative 50plus„. Bürger, die das 50. Lebensjahr überschritten haben, sollen dadurch bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhalten. Unternehmen werden diverse Entlastungen angeboten, wenn sie Bürger, die die entsprechenden Kriterien erfüllen, einstellen. Kritiker dieses Vorhabens weisen auf ein hausgemachtes Problem hin, das erst durch die Politik der Vorruhestandsregelung entstanden sei. Teils haben sie damit recht. Doch, was folgt daraus?

Auch die Kritiker der aktuellen Initiative wollen an der Arbeitshauspolitik festhalten, für die die Erhöhung der Erwerbstätigenquote der höchste Zweck ist – darin sind sie sich mit dem Bundesministerium und den Parteien einig. Arbeitsmarktpolitisch sei das Ziel erreicht, wenn sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze geschaffen werden, dazu ist beinahe jedes Mittel recht, wenn auch die Wege dahin sich unterscheiden.

Hängt aber die Leistung eines Mitarbeiters nicht vor allem davon ab, daß er die Aufgabe, die er übernimmt, auch gerne und mit Hingabe erledigt? Hängt Leistung also nicht davon ab, daß ein Mitarbeiter sich aus freien Stücken für eine Tätigkeit entscheiden kann? Und – um die Frage auszudehnen: Gilt das nicht im allgemeinen, daß jeder, der eine Aufgabe aus freien Stücken übernimmt oder sie sich selbst schafft, sich ihr dann auch mit der größten Begeisterung widmet?

Für den Zusammenhang von freiem Entschluß, Begeisterung für eine Sache und Leistung gibt es viele Belege. Man schaue sich nur das ehrenamtliche Engagement an; Eltern, die sich ihren Kindern widmen; Bürger, die sich für das Gemeinwesen einsetzen und letztlich auch den Beruf: wer nicht Neigung und Interesse für seinen Beruf empfindet, wird nichts leisten, ganz gleich, welcher Aufgabe er sich widmet.

Was wäre die Konsequenz aus diesem Zusammenhang?

Statt auf diese und weitere solcher Initiativen (40plus, 30plus usw.) zu setzen, sollten wir ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Bürger einführen, von der Wiege bis zur Bahre, für Erwachsene wie Kinder gleichermaßen – dann könnten solche Initiativen ebenso wie die Arbeitshauspolitik der Vergangenheit angehören. Ermöglichung von Freiheit, von Engagement für eine Sache, die einem wichtig ist, das wären dann die Maximen von Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Dann hätten auch diejenigen, die heute zum „alten Eisen“ gezählt werden, die Freiheit sich zu engagieren, dort, wo sie es für richtig und wichtig erachten. Ein Renteneintrittsalter, ohnehin eine Vorstellung von vorgestern, wäre hinfällig. Wer sich engagieren will, engagiert sich, ganz gleich, wie alt er ist. Das bedingungslose Grundeinkommen als Bürgereinkommen wird leistungslos gewährt. Es wird nicht angerechnet auf zusätzliche Einkommen. Jeder ist zu jeder Zeit abgesichert.

Wer hätte das Nachsehen?

Keiner. Jeder hätte die Freiheit, sich dort zu engagieren, wo er will. Ist er als Mitarbeiter eines Unternehmens oder wo auch immer nicht gefragt kein Problem, er schafft sich seine Wirkungsstätte selbst, sucht sich Gleichgesinnte.

Geben wir den Bürgern diese Freiheit, legen die Verantwortung in ihre Hände, dann werden wir schon sehen, wo uns das hinführt: in eine freiheitliche Zukunft, in der Solidarität und Leistung dort entstehen, wo die Bürger es für richtig halten, statt der Bevormundung durch die Hüter des Arbeitshauses folgen zu müssen.

Sascha Liebermann

Die Grünen, die SPD und das bedingungslose Grundeinkommen

Bündnis 90/ die Grünen hatten uns im Juni zu einer Diskussionsveranstaltung eingeladen. Sie ist hier dokumentiert.

Die SPD hatte uns zum Parteitag in Düsseldorf eingeladen, um dort das bedingungslose Grundeinkommen vorzustellen. Hier geht es zum Bericht über den Parteitag. Ein Bericht zu einer Veranstaltung im Mai bei der SPD Rhein Erft findet sich hier.

Am 16. September vertritt Thomas Loer die Initiative im Rahmen des Mitgliederkonvents der SPD Rhein Erft in Pulheim (Siehe auch „Termine“)

Online: Video der Podiumsdiskussion in Frankfurt

Vor einiger Zeit hatten wir auf eine Podiumsdiskussion hingewiesen, die von Kollegen an der Universität Frankfurt organisiert wurde: „Bedingungsloses Grundeinkommen als Antwort auf die Krise der Arbeitsgesellschaft: Diskussion über Chancen, Risiken und Folgeprobleme“.

Eine Aufzeichnung der Diskussion ist jetzt bei Google Video einzusehen: Hier ist ein Link zu Teil 1 (Eingangsstatements, 46 Min.).
Von dort aus gelangen Sie zu Teil 2 (Podiumdsdiskussion, 50 Min.) und Teil 3 (Plenumsdiskussion, 50 Min).

Diskussionsteilnehmer:
Prof. Dr. Ulrich Oevermann (Soziologe, Frankfurt/M.)
Prof. Dr. Georg Vobruba (Soziologe, Leipzig)
Prof. Dr. Philippe Van Parijs (Philosoph, Louvain-Belgien u. Harvard-USA)
Prof. Götz W. Werner (Unternehmer, Gründer der dm-Drogeriekette, Karlsruhe)

Moderation:
Dr. Axel Jansen (der auch ein Mitbegründer der Initiative Freiheit statt Vollbeschäftigung ist)

Ministerpräsident Althaus schlägt ein Bürgergeld vor

Erstaunlich, wie weit der Thüringer Ministerpräsident Dieter Althaus in seinem Vorschlag geht, den er jüngst unterbreitet hat. Damit hat die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens die politische Diskussion erreicht, zumal die Bundes-CDU ihn unterstützt, auch wenn über die Ausgestaltung weiter diskutiert werden muß. Siehe auch diesen Artikel und diese Mitteilung über ein Interview mit Dieter Althaus im MDR.

Der Vorschlag von Ministerpräsident Althaus hat ein Presseecho hervorgerufen, u.a. einen Kommentar im Wirtschaftsteil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung („Bürgergeld setzt Fehlanreize“, 25.7.2006, S. 9).