…so lautet ein Beitrag von Ronald Blaschke, indem die mögliche „Rolle“ der Gewerkschaften dargelegt wird, wenn ein BGE einmal eingeführt worden wäre. Während der Beitrag die Perspektive starkmacht, dass Gewerkschaften eine wichtige Aufgabe zukommt, sofern sie sich auf die Veränderungen durch das BGE einlassen, weist ein Kommentar zum Beitrag von Wolfram Sondermann auf die Folgen eines BGE für die Gewerkschaften hin:
„Die Intention des Beitrags [von Ronald Blascke, SL] ist lobenswert, aber es nützt nichts: Die „individuelle Verhandlungsmacht“ würde im Falle eines BGE die „kollektive Verhandlungsmacht“ faktisch sehr weit zurückdrängen. Der Beitrag setzt voraus, dass das Streikrecht unter BGE-Bedingungen Bestand hätte, woran aber stark gezweifelt werden muss, da es tatsächlich wohl durch ein nicht-existenzgefährdendes Kündigungsrecht eingetauscht würde. Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Rechtsprechung ein solches Macht-Ungleichgewicht durchgehen lassen würde, in dem subventionierte Arbeitnehmer ein Streikrecht gegenüber nicht-subventionierten Arbeitgebern innehätten, so dass sie den Betrieb auf u. U. unabsehbare Zeit bestreiken könnten. Im öffentlichen Dienst würde der Staat sogar das Streikgeld seiner Tarifgegner zahlen. Solche Rahmenbedingungen des BGE sind m. E. schlechterdings unvorstellbar. Die Gewerkschaften sollten für ein tatsächlich auskömmliches BGE eintreten, aber in dem Bewusstsein, dass der beste Job dann getan ist, wenn er sich überflüssig gemacht hat.“
In der Tat muss man sich fragen, woraus die Gewerkschaften noch ihre Legitimation beziehen könnten, wenn es ein BGE gäbe. Zum einen könnten Arbeitnehmer individuell besser über Arbeitsbedingungen verhandeln, das würde schon sehr viel ändern. Alleine schon, dass Arbeitnehmer vom einem konkreten Arbeitsplatz nicht mehr abhängig wären, um ihr Auskommen zu haben, kehrte die Verhältnisse um. Unternehmen wären weit mehr gefordert, attraktive Arbeitsbedingungen zu bieten, als dies heute der Fall ist, und zwar auf allen Ebenen. Zum anderen wären kollektive Verhandlungen auf betrieblicher Ebene einfacher möglich, ohne einer überbetrieblichen Ebene zu bedürfen. So könnten Bedingungen ausgehandelt werden, die besser auf die jeweilige Lage eines Unternehmens reagieren können. Das muss nicht heißen, dass unternehmensübergreifende Vereinbarungen, die Tarifpartner aushandeln, nicht weiter denkbar wären, das schließt auch Wolfram Sondermann nicht aus, doch in welchem Maße das, wenn überhaupt, sinnvoll wäre, ist schwer einzuschätzen.
Ronald Blaschke, der auf den Kommentar Sondermanns geantwortet hat, verweist auf den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966, der in Artikel 8 das Streikrecht und die Gründung von Gewerkschaften schütze. Doch die Stellung dieses Rechts leitet sich aus der Bedeutung von Erwerbstätigkeit als Einkommensquelle her, würde also in seiner Bedeutung durch ein BGE durchaus angegriffen. Damit könnte auch dieser Pakt seine Stellung einbüßen, wo ein BGE in ausreichender Höhe einführt würde. Darüber hinaus ist ein Recht nichts wert, das keine Gefolgschaft findet, es würde praktisch unterlaufen, wenn unverhältnismäßig wenige Arbeitnehmer bereit wären, Mitglied einer Gewerkschaft zu werden. Die Frage, die Sondermann gestellt hat, die auch in den anderen Kommentaren zum Text virulent ist, ist nicht nur eine des Rechts. Wenn Arbeitnehmer noch weniger als heute bereit wären, in eine Gewerkschaft einzutreten, dann stellt sich die Frage, wen diese Gewerkschaft noch vertritt. Für 2006 wurde eine Deckungsrate der Tarifbindung in Deutschland von 65 % duchschnittlich ermittelt (z. B. hier). Würde ein BGE dazu führen, dass diese Deckungsrate weiter abnähme, dann stünde die Tarifpartnerschaft als legitimer Verhandlungspartner in Frage.
Sascha Liebermann