„Bedingungsloses Grundeinkommen. Der ewige Traum“ – oder vielmehr ein Vorschlag, der gegenwärtige Widersprüche erkennen lässt?

Timo Reuter schreibt auf Zeit Online über ein Bedingungsloses Grundeinkommen und nennt Vorteile, die es mit sich bringen würde im Vergleich zu heute. Zu Beginn heißt es:

„Es könnte so einfach sein: 1.000 Euro, jeden Monat, ohne dass man etwas dafür tun muss. Alle Menschen würden vom Staat dafür bezahlt, dass sie am Leben sind.“

Missverständlich ist hier zweierlei, zum einen wenn der Staat als eine Größe erscheint, die den Bürgern gegenübersteht. Denn das trifft nur insofern zu, als er Aufgaben wahrnimmt, die die Bürger nach geltenden Verfahren ihm übertragen haben bzw. wollen, dass er sie wahrnimmt. Zum anderen ist das BGE keine Bezahlung im Sinne einer Gegenleistung für eine Leistung, sondern eine Alimentationsverpflichtung der politische Vergemeinschaftung von Bürgern gegenüber ihren Angehörigen. Das mag kleinlich klingen, ist aber ein wichtiger Unterschied.

An einer späteren Stelle heißt es:

„Sollten Maschinen uns solche unangenehmen Arbeiten nicht irgendwann abnehmen, müssten wir sie also selbst erledigen. Oder aber diese Jobs würden attraktiver werden, durch bessere Bezahlung und andere Arbeitsbedingungen. Das könnte die Motivation zur Arbeit und damit die Produktivität erhöhen – und quasi nebenbei das sozialdemokratische Ideal verwirklichen, bei dem Arbeit für Sinnerfüllung, Selbstverwirklichung und soziale Integration steht.“

Der Zusammenhang ist treffend dargestellt, es gibt nur eine Möglichkeit, um Mitarbeiter zu werben, das ist in Gestalt der Aufgaben und der mit ihnen einhergehenden Arbeitsbedingungen. Doch ist es wieder eine Kleinigkeit, die zu einer Verkehrung führt: Wird durch bessere Arbeitsbedingungen und höheren Lohn die „Motivation zur Arbeit“ erhöht oder werden damit nur Bedingungen geschaffen, damit sich Motivation entfalten kann? Das ist ein ziemlich großer Unterschied. Klarer wäre es hier, wenn Reuter von Bereitschaft spräche, denn an der Motivation muss es gar nicht fehlen, jedoch an der Bereitschaft, sich auf bestimmte Arbeitsbedingungen einzulassen. Damit würde deutlich, dass es sich nicht um ein Motivationsproblem handelte, sondern um einen Interessenkonflikt, den es auszutragen gilt.

„Doch auch diese Forderung stößt auf enorme Widerstände. Die Abwehr gegen ein Grundeinkommen verrät also viel über den Zustand unserer Gesellschaft – und was dort schiefläuft. Das muss sich ändern. Ob nun mit oder ohne Grundeinkommen.“

Ja, in der Tat, die Abwehr verrät etwas „über den Zustand unserer Gesellschaft“, allerdings auch über Widersprüche, in denen wir uns bewegen. Denn die Grundfesten unserer Demokratie korrespondieren mit dem BGE, das BGE ist von ihnen aus betrachtet folgerichtig; der Sozialstaat heutigen Zuschnitts korrespondiert nicht mit den Grundfesten der Demokratie, er ist ein Erwerbstätigensozialstaat, keiner, in dessen Zentrum die Bürger stehen.

Sascha Liebermann