„Jeder muss für sich selbst sehen, wo er bleibt“…

…so könnte man wiedergeben, was ein älterer Herr, der das 90. Lebensjahr schon überschritten hat, mir nach einer Podiumsdiskussion über das Bedingungslose Grundeinkommen entgegenhielt.

Er sagte mir gleich, dass das BGE nichts für ihn sei, er sei zu alt, das gehe nicht mehr in ihn hinein. Dann berichtete er von seinem Leben, Kriegsgefangenschaft mit 17, er stand ohne alles da am Ende des Krieges, sein Notabitur wurde nicht anerkannt. Er hat kämpfen müssen. Seine Ausführungen schloss er mit der Feststellung ab „Jeder muss für sich selbst sorgen“, woraufhin ich erwiderte, das sei doch heute gar nicht so, immerhin gebe es einen Sozialstaat. Das eben sei „das Problem“. Ich habe mich danach gefragt, woher die Härte gegen sich selbst, gegen andere wohl komme, denn Vorstand (das war er 25 Jahre in einem großen Unternehmen) ist er nicht allein geworden, er wurde ernannt, wie auch der Unternehmenserfolg nicht auf den Vorstand alleine, sondern das ganze Gefüge mit den operativen Mitarbeitern zurückgeht, die Infrastruktur in Deutschland, das Wissen vorangehender Generationen, die politische Ordnung, und nicht zuletzt die günstige Nachkriegslage, in der man mit jeder Ausbildung oder auch ohne beinahe alles werden konnte.

Bedenkt man, dass eine entscheidende formative Phase der Sozialisation in seinem Fall direkt mit dem Kriegsende, der Verwüstung, der Verstrickung der Deutschen in das Dritte Reich (für das er angesichts seines Alters keine Verantwortung trug) zusammenfällt, dann versteht man womöglich besser, weshalb er so wenig barmherzig sein kann. Die erschütternden Auswirkungen der Kriegserfahrung in diesem Alter müssen nicht immer zu einer solche Haltung führen, sie können auch das Gegenteil bewirken, die Dankbarkeit darüber, überlebt zu haben und deswegen sich für das Gemeinwohl besonders stark einzusetzen und gerade anzuerkennen, wie sehr der eigene Lebensweg von glücklichen Umständen abhängig ist. So oder so aber ist es prägend für das eigene Leben, was Helmut Kohl damals dazu bewogen hat, von der „Gnade der späten Geburt“ zu sprechen.

Solche Erfahrungen zeigen einem, was Diskussionen über die Gestaltung des Zusammenlebens in einem Gemeinwesen ganz entscheidend prägen. Es sind die generationsspezifischen Erfahrungen, die hier von Bedeutung sind.

Siehe dazu die Reflexion von Thomas Loer „Die Zukunftsangst einiger Alter Herren

Sascha Liebermann