Zu Ulrich Becks Artikel „Abschied von der Utopie der Vollbeschäftigung“ (Feuilleton, NZZ, 4.11.06): Immerhin rüstet Herr Beck nun auf und fordert: „Freiheit statt Vollbeschäftigung“! (Wir sagen: Gern gescheh’n!) Wir wollen Herrn Beck aber zu denken geben, daß eine europäische Lösung zwar sehr schön wäre, aber ein Tagtraum bleiben muß, solange Europa nicht Züge des von ihm für irrelevant erklärten Nationalstaats annimmt.
Axel Jansen
Als eine Art P.S. sei hier abschließend eine längere Passage aus Wikipedia zitiert:
„Erstauen löste bei einigen [Kollegen in der Soziologie] auch der Umstand aus, dass Beck sich seit kurzem unumwunden als Befürworter des Grundeinkommensvorschlags zu Wort meldet, obwohl er zuvor Jahre lang etwas Gegensätzliches propagiert hat. Beck hat 1996/1997 in einem Bericht der Bayrisch-Sächischen Zukunftskommission von Kurt Biedenkopf und Meinard Miegel das Konzept der Bürgerarbeit und des Gemeinwohlunternehmers vorgeschlagen für diejenigen, die keine Arbeit mehr finden. Er ging also in diesem Konzept davon aus, dass es wahrscheinlich nicht mehr Arbeit für alle geben werde. Bürgerarbeit sollten diejenigen bei sogenannten „Gemeinwohlunternehmern“ ableisten, die keine Erwerbsarbeit mehr finden können. Beck hielt also in der Bürgerarbeit an der Arbeitsethik – an Erwerbsarbeit als Normalität – fest, obwohl er zugleich Vollbeschäftigung als unwahrscheinlich anerkannte. Kritiker haben Beck vorgeworfen, mit seiner Bürgerarbeit, die durch staatliche Stellen als gemeinwohlbezogene anzuerkennen ist und mit einer Lohnzahlung einhergehen sollte, eine gigantische Bürokratisierung und eine Kommerzialisierung des ehrenamtlichen Sektors zu propagieren. Ja, manche warfen ihm vor, die Bürgerarbeit sei das technokratische Horrorszenario eines modernen Arbeitshauses, denn die Arbeitslosen würden behördlich unter Kuratel der Arbeitsethik gestellt, indem ihnen ersatzweise eine staatlich kontrollierte Bürgerarbeit bereitgestellt würde, die sie gegebenenfalls zum Einkommenszuverdienst anzunehmen gezwungen seien. Ulrich Beck hat in den letzten Jahren auch länderübergreifend mit Anthony Giddens regierungsflankierend eine Art Intellektuellenbündnis unterhalten, das die rot-grüne Politik der Agende 2010 von Gerhard Schröder bzw. die Arbeitsmarktreformen von Tony Blair in England, die jeweils dem Modell des „workfare“ und des technokratischen „aktivierenden Sozialstaats“ verpflichtet waren und im diametralen Gegensatz zum Geist des Grundeinkommensvorschlags stehen, sympathetisch begleitet. Dass Ulrich Beck sich nun, nachdem die Grundeinkommensdiskussion von einigen Initiativen und vom Unternehmer Götz W. Werner in Deutschland in die Öffentlichkeit getragen wurde, für das Grundeinkommen ausspricht, kommt einer Konversion gleich. Kritiker monieren, dass eine solche „Konversion“ nur dann respekterheischend und glaubwürdig sei, wenn Beck das Problematische seiner früheren Positionen, mit denen er ja weiterhin für viele verbunden ist, auch deutlich kenntlich mache und nicht so tue, als sei sein heutiges Engagement eine stimmige Fortentwicklung früherer Vorschläge.“