Wer sich für ein BGE einsetzt und es in Diskussionen vorstellt, sieht sich sehr schnell der Forderung gegenüber, eine Voraussage darüber machen zu sollen, wie denn dann alles werde, ob denn überhaupt zukünftig ein BGE finanzierbar sei. Was werden die Bürger tun, wie werden sie ihr Leben gestalten, wenn sie über ein BGE verfügen. All das sind berechtigte Fragen – mit dem BGE ist eine große Ungewissheit in mancher Hinsicht verbunden.
So naheliegend und verständlich also die Sorgen sind, so missverständlich sind sie, wenn in ihnen die Hoffnung lebt, die Ungewissheit einer offenen Zukunft könnte doch vielleicht irgendwie beseitigt werden – z.B. durch Rechenmodelle. Sie können informieren, doch nur über die Vergangenheit; genauso können sie den Blick verstellen auf das konkrete, das wirkliche Leben.
Wir können – auch wenn wir Berechnungen anstellen – stets nur von der Gegenwart aus auf der Basis der Vergangenheit die Zukunft entwerfen. Was wir mit Voraussagen und Prognosen tun, ist also nicht anderes, als die Verlängerung der Gegenwart in die Zukunft – so, als änderte sich nichts, wenn wir Entscheidungen treffen. Wer Berechnungen anstellt, muß dazu Annahmen darüber treffen, was in Zukunft sein wird, wie die Menschen handeln werden usw. Auch das beseitigt aber die Ungewissheit nicht, es schafft lediglich die Illusion, über die Zukunft etwas Sicheres sagen zu können.
Spricht man diese Zusammenhänge in der Diskussion um das BGE aus, schallt einem entgegen: „Sie haben ja gar kein Modell“, „Sie wissen ja nicht, ob das gut geht“, „Sie können nicht sagen, ob ein BGE auch in Zukunft finanzierbar ist“. Antwortet man hierauf, das könne niemand wissen, wird man für verantwortungslos gehalten – und nicht etwa nur von Laien, sondern genauso von Experten.
Worüber wird sich hier empört, wenn eine Berechnung der Zukunft, eine Voraussage darüber, was tatsächlich sein wird, gar nicht möglich ist?
Es ist die Ungewissheit, der offene Ausgang, der wohl zu enormer Beunruhigung führt. Das ist allzuverständlich, doch der Schuldige dafür ist nicht derjenige, der es ausspricht. Wollten wir diese Ungewissheit loswerden, müssten wird die Zukunft abschaffen, die Gegenwart müßte ewig fortbestehen, dann erst wäre die Ungewißheit beseitigt.
Aus der Unmöglichkeit, die Zukunft durch Berechnung abzusichern, kann doch keinesfalls geschlossen werden, dass wir keine Basis haben, um Entscheidungen zu treffen, die in die Zukunft führen. Wir richten in dieser Frage allerdings selten den Blick auf uns selbst, auf Erfahrungen, die wir gemacht haben. Diese Erfahrungen sagen uns etwas darüber, was Menschen im allgemeinen wichtig ist, dass sie bei aller Verschiedenheit doch auch Gemeinsamkeiten haben.
Hätten wir wohl einen solch gewaltigen Wohlstand schaffen können, wenn die Bürger nicht bereit wären, sich dafür beruflich zu engagieren? Würde es all die Wohlfahrtsorganisationen, würde es unsere Parteien geben ohne all die Ehrenamtlichen? Könnte unsere Demokratie überhaupt bestehen, ohne unsere Loyalität?
Wenn wir diese Phänomene ernst nehmen, können wir gar nicht daran zweifeln, dass auch zukünftig, mit einem BGE im Rücken, wir Bürger bereit sind uns einzubringen. Weder hat dies damit zu tun, dass man die Menschen für gut hält, noch das man ein idealistisches Menschenbild hat. Es reicht, der eigenen Erfahrung zu vertrauen, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und Probleme argumentativ auszuloten – etwas anderes haben wir nicht.
Sascha Liebermann