Benediktus Hardorp ist am vergangenen Freitag, wenige Wochen vor seinem 86. Geburtstag, verstorben. Die Diskussion um ein Bedingungsloses Grundeinkommen hat einen begeisternden und herausfordernden Mitstreiter verloren. Unsere Anteilnahme gilt seiner Familie und allen Angehörigen.
Über Jahrzehnte hat er sich – neben vielen anderen Fragen – mit Wirkung und Gestaltung einer Ausgaben- bzw. Verbrauchsteuer befasst, dazu publiziert und seine Gedanken vorgetragen. Er hielt sie für eine Steuer, die dem schöpferischen Wirtschaftsgeschehen gemäß ist. Vom ganzen des Wirtschaftens blickte er auf das Detail. Immer wieder verband er seine Überlegungen mit aktuellen Problemlagen wie z.B. der Finanzkrise, um Zusammenhänge deutlich zu machen. Vermeintliche Steuergerechtigkeit, wie sie oft in der Einkommensbesteuerung gesehen wird, versah er mit scharfsinnigen Anmerkungen, um auf damit verbundene Illusionen hinzuweisen und der Frage, was gerecht sei, eine andere Wendung zu geben. Insbesondere gelang es ihm, sichtbar zu machen, welch Initiative hemmende Wirkungen Steuern und Abgaben auf Einkommen haben können. Seine reichhaltige Erfahrung als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater erlaubte ihm, sinnfällig auf Aspekte des Steuerwesens hinzuweisen, die tagespolitisch weniger diskutiert werden, so z.B. die Steuerüberwälzung, und damit die tatsächliche Wirkung der Steuerlast auf den Wirtschaftskreislauf, sowohl für die Seite der Unternehmen als auch der Einkommen von Mitarbeitern, in den Blick zu nehmen.
Das Steuerwesen – oder auch -unwesen, wie er manchmal sagte – sah er nicht einfach als Beschaffungsinstrument, dessen Zweck es sei, ausreichend Mittel zur Finanzierung öffentlicher Ausgaben zu besorgen. Im Steuerwesen erkannte er eine Haltung zum gemeinschaftlichen Zusammenleben, dergemäß sich die Frage stellt, ob das Verfügen über Einkommen oder sein Gebrauch zur Leistungsentnahme von größerer Bedeutung für ein Gemeinwesen ist und sein soll. Steuern bringen zum Ausdruck, wie welches Handeln gemeinschaftlich bewertet wird, ob Autonomie gefördert und dem Einzelnen Handlungsmöglichkeiten verschafft werden sollen durch das Gemeinwesen, die ihn in den Stand setzen, sein Leben, soweit es vernünftig ist, in die eigenen Hände zu nehmen. Zugleich sollte das Steuerwesen eine verlässliche Basis zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben bilden. Benediktus Hardorps Blick, die gesetzliche Ausgestaltung stets daran zu messen, ob sie diesem Zweck dient, war für uns besonders beeindruckend, weil dabei nicht die formaljuristische Betrachtung von Steuern seine Überlegungen leitete, sondern ihre materialen Wirkungen als Gestaltungselement des Zusammenlebens.
Steuerwesen und Bedingungsloses Grundeinkommen – das kann nicht verwundern – waren für Benediktus Hardorp zwei Seiten einer Medaille, die eine ohne die andere nicht sinnvoll. Wie das Steuerwesen, so sollte auch das Bedingungslose Grundeinkommen der Ermöglichung von Initiative dienen und damit zugleich das Gemeinwesen stärken.
Erst vor wenigen Jahren erschienen zwei Bücher, die wichtige Texte von ihm auf einfache Weise zugänglich machen. Die Wiederauflage seiner Doktorarbeit (aus den fünfziger Jahren) und eine Sammlung von Aufsätzen geben Einblick in sein Denken.
Seine Begeisterung für schöpferische Aktivitäten, dafür, dass Neues in die Welt gelangt, war mitreißend. Gedanken und Argumente wollte er für sich stehen und wirken lassen, Missionierung war ihm fremd. Er setzte auf die Kraft des Denkens, ohne die gemeinschaftliche Veränderung nicht möglich ist. Die persönliche Begegnung insbesondere zu Beginn eines Austausches war ihm wichtig, um so einen lebendigen Eindruck von den Personen zu erhalten, mit denen er es zu tun hatte. Dabei konnte man auch seinerseits einen Eindruck von seiner Lebendigkeit erhalten, in der sich der jugendliche Enthusiasmus mit der Erfahrung eines langen Lebens zu einer begründeten Begeisterung verdichtet hatten. Bezeichnend für das unaufgeregte Verbinden von scheinbar Gegensätzlichem ist die lakonische Art, wie er in seinem der Dissertation beigefügten, sieben Sätze umfassenden Lebenslauf sein Studium beschrieb: „Ich studierte in Stuttgart und Freiburg: hauptsächlich Wirtschaftswissenschaften, daneben Philosophie.“ (Hardorp, Benediktus (1958): Elemente einer Neubestimmung des Geldes und ihre Bedeutung für die Finanzwirtschaft der Unternehmung. Freiburg i. Br. (Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Hohen Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwig-Universität zu Freiburg im Breisgau), S. 297)
Ute Luise Fischer, Sascha Liebermann, Thomas Loer