meinte der Arbeits- und Sozialrechtler Wolfgang Mazal in der Tiroler Tageszeitung Online. Er äußert sich in dem Interview zum gegenwärtig dominanten Verständnis von Arbeit und im Zuge dessen auch zum Bedingungslosen Grundeinkommen. Auf die Frage, wie es mit Arbeit im Sinne von Erwerbsarbeit in Zukunft aussehen werde, sagt er:
„Uns geht die Arbeit aus?“
Mazal: Nein, wir werden nach wie vor viel Arbeit haben. Nur müssen wir umdenken, was Arbeit ist. Wenn es in Zukunft um Arbeit geht, werden wir wieder Familien- und Kulturarbeit als Arbeit definieren müssen. Wir werden künftig beispielsweise viele Menschen für die Betreuung von Kindern und die Unterstützung von Familien, in Schulen und von älteren Menschen brauchen. Die „Care-Work“, die momentan vielfach unbezahlt von Frauen geleistet wird, muss als bezahlte Arbeit ausgestaltet werden. Zeigen wir, dass sie uns viel wert ist, indem wir entsprechende Löhne ermöglichen.“
Auf der einen Seite fordert er damit einen erweiterten Arbeitsbegriff, der auch dasjenige als Arbeit bzw. Leistung anerkennt, was heute als unbezahlte Arbeit weitgehend verächtlich behandelt wird. Auf der anderen Seite geht es ihm aber nicht darum, diese Anerkennung durch eine Relativierung von Erwerbstätigkeit zu erreichen und durch eine andere Form des Einkommens zu ermöglichen, sondern sie zu „bezahlen“ und „Löhne ermöglichen“. Das führt zur Kommodifizierung von Arbeit, was die bisher unbezahlte Arbeit im Kern verändern würde. Sie würde in Erwerbsarbeit umgewandelt. Damit geht es nicht mehr um einen erweiterten Arbeitsbegriff, es geht und führt mit dieser Lösung zu einer Ausweitung von Erwerbsarbeit in Lebensbereiche hinein, die bislang frei von ihr waren. Es ist ein grundsätzlicher Unterschied, ob ich eine Tätigkeit ergreife, weil ich zu einer Person in einer bestimmten Beziehung stehe oder ob ich eine Dienstleistung anbiete bzw. ihr diene. Während erstere auf die konkrete Person gerichtet ist und von der Beziehung zu ihr getragen, ist letztere ein generalisiertes Angebot, das nicht aufgrund der Beziehung zu einer bestimmten Person bereitgestellt wird. Man kann das vergleich mit dem Unterschied zwischen Eltern, die sich um ihre Kinder kümmern oder Erziehern, die sich um Kinder in einer Kita kümmern, ganz gleich, welche Kinder dort hinkommen.
Auf Mazals Ausführung folgt eine Rückfrage, in der auch das BGE eingeführt wird:
„Wer soll das bezahlen? Andere reden davon, dass es eine Art nutzlose Klasse geben wird — für diese wird man ein bedingungsloses Grundeinkommen andenken müssen. Denken Sie nicht so?
Mazal: Es ist ein Skandal, von Menschen als nutzlose Klasse zu sprechen. Es wäre eine Kapitulation der Humanität einer Gesellschaft, wenn sie das zulassen würde. Wir sollten uns bemühen, trotz Digitalisierung für alle Arbeit zu suchen, die Anerkennung und sozialen Schutz schafft. Ich finde, dass wir jedem Arbeitsfähigen Arbeit geben sollen. Deshalb bin ich gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen. Es würde Menschen zwar durch Transferleistung ruhigstellen, aber keinen Selbstwert durch Anerkennung verschaffen. Hier liegt auch ein wichtiges Finanzierungspotenzial — verkürzt gesagt: Arbeitsentgelt statt Arbeitslosengeld.“
Zurecht bemerkt Mazal, dass es skandalös ist, „Menschen als nutzlose Klasse“ zu bezeichnen (dafür gab es vor Jahren eine Diskussion über „Überflüssige“, siehe hier und hier). Denn in einer Demokratie ist kein Mensch „nutzlos“ bezüglich seiner Zugehörigkeit zu ihr. Was er als Kapitulation vor der Humanität erkennt, nimmt dann die Haltung eines fürsorglichen Paternalismus an. Wenn „wir“ für alle „Arbeit suchen“ sollen oder gar jedem „Arbeitsfähigen Arbeit geben sollen“ und beides als Begründung dafür anführt, weshalb er gegen ein BGE ist, dann bestätigt er, dass er ein Jenseits der Erwerbsarbeit als legitimen Ort des Engagements gar nicht anerkennt. Die Ausweitung des Arbeitsbegriffs ist eine Ausweitung der Erwerbsarbeit, nicht aber der Ermöglichung von Engagement in den verschiedensten Tätigkeitesfeldern. Genau das aber würde ein BGE leisten können, ohne heute unbezahlte Arbeit zu kommodifizieren, also in ein Erwerbsverhältnis notwendig hineinzusaugen. Das bedeutet natürlich nicht, dass es nicht zugleich ein Bemühen darum geben kann, die Dienstleistung Pflege attraktiver zu machen. Beides gehört zusammen, doch nur das BGE würde beides gleichrangig möglich machen.
Sascha Liebermann