Dieses Ergebnis bleibt nach der Lektüre eines Interviews mit Pfarrer Meurer zurück, das domradio.de mit ihm geführt hat. Also, im Grunde ist Franz Meurer für ein BGE, aber nicht so ganz. Sehen Sie selbst.
„domradio.de: Aus christlicher Sicht gefragt: Wäre dieses bedingungslose Grundeinkommen, das jeder Bürger einfach so bekäme, gerecht?
Franz Meurer (Katholischer Priester im Kölner Stadtteil Vingst): Ja und Nein; wie immer bei der Frage der Gerechtigkeit. Denn was Gerechtigkeit ist, kriegt man kaum raus. Natürlich bin ich – wie die KAB, die Katholische Arbeiterbewegung – grundsätzlich für das Grundeinkommen. Aber: Ich sage, die Menschen müssen auch eine soziale Gegenleistung erbringen. Sie müssen sich beteiligen, zum Beispiel im Bereich der sozialen Arbeit, sei das mit 50 Stunden oder 18 Stunden.
Warum bin ich der Meinung? Wir haben hier bei uns in der Gemeinde jeden Tag Ein-Euro-Jobber oder Menschen, die Sozialstunden ableisten. Das sind sieben, acht Menschen pro Tag, manchmal mehr. Die pflanzen Blümchen, die machen die Hundetütenbehälter wieder fit und so weiter. Die wollen alle arbeiten! Das heißt, die wollen nicht einfach alimentiert werden, sondern jeder Mensch will für das Gemeinwohl etwas tun.“
Gefragt wurde er nach dem BGE, er antwortet mit Zustimmung für ein Grundeinkommen mit Bedingungen, und zwar konkret müssen „die Menschen“ eine soziale Gegenleistung erbringen. Das ist dann eben so etwas wie ein participation income, ein Vorschlag des Anfang des Jahres verstorbenen Anthony Atkinson, aber kein BGE. Weshalb ist Meurer der Sozialdienst wichtig, es kommt ihm offenbar nicht auf den Umfang alleine an? Er verweist auf diejenigen, die in seiner Gemeinde helfen, aber ist dieser Verweis nicht gerade ein Argument für das BGE? Er sagt doch, dass sie helfen wollen. Und weshalb sollen sie nicht selbst entscheiden, ob sie etwas als Gegenleistung erbringen, wenn sie doch ohnehin wollen? Meurer hat sehr klar die stigmatisierenden Effekte heutiger Alimentierungsleistungen vor Augen, ohne die Zusammenhänge, die zur Stigmatisierung führen, zu bedenken. Da ein BGE keine Leistung für Bedürftige wäre, kein Ersatz für fehlendes Erwerbseinkommen, könnte es auch nicht stigmatisierend wirken. Allenfalls könnte der Fall eintreten, dass sich diejenigen, die erwerbstätig sein wollen und keine Stelle finden, deswegen als minderwertig erachten. Das hätte jedoch nichts mit dem BGE zu tun, sondern mit der Bewertung von darüber hinausreichender Erwerbstätigkeit. Denn nur des Empfindens wegen Beschäftigung durch öffentliche Mittel zu schaffen, die sachlich nicht gefordert ist, würde auf eine sinnentleerte Tätigkeit hinauslaufen.
Was sagt Pfarrer Meurer noch?
„domardio.de: Sie treten für den Gedanken „Hilfe zur Selbsthilfe“ ein. Entspricht so ein Grundeinkommen diesem Gedanken?
Meurer: Ja, und es entspricht nicht nur dem Gedanken „Hilfe zur Selbsthilfe“ sondern bedeutet auch Selbstverpflichtung als Entgelt für eine Unterstützung. Das heißt, man würde eine Grundversorgung eintauschen gegen ein im moderaten Rahmen vorbereitetes Engagement für die Gesellschaft und die Gemeinschaft. Davon profitierten würden wir und der Einzelne.“
Ja, Selbstverpflichtung, die daher erwächst, sich die Frage zu stellen, was zum Wohlergehen des Gemeinwesens beigetragen werden kann. Weshalb aber muss ein „vorbereitetes Engagement“ sein? Meurer vertraut offenbar nicht darauf, dass diese Selbstverpflichtung schon besteht, dabei lässt sie sich heute leicht auffinden. Meurer ist ganz nah dran am BGE, er müsste nur die Handbremse lösen.
Sascha Liebermann