…, das hält Adair Turner, Vorsitzender des Institute for New Economic Thinking (INET) in einem Interview zum Bedingungslosen Grundeinkommen, für wichtiger als mehr Selbstbestimmung. Folgende Passagen sind besonders interessant. In der ersten geht es um Statusgüter:
„In einer Umgebung, in der Statusgüter (wie ein Grundstück in einer bestimmten Gegend) ein extrem wichtiger Teil dessen sind, wie unser individueller Lebensstandard aussieht, sind wir in einer Situation gefangen, in der das Individuum nicht mehr die Option hat, weniger zu arbeiten und mehr Freizeit zu haben. Die Menschen leben innerhalb einer Gesellschaft, in der das kollektive Verhalten bestimmt, welche Optionen dem Individuum zur Verfügung stehen. Wenn jeder Mensch seinen eigenen Weg wählen würde, wären die Auswahlmöglichkeiten auch anders.“
Wie zwingend ist diese Behauptung? Der Mensch als Herdenwesen, das nicht anders kann als das Kollektiv? Wie kommt Turner zu der Behauptung, woraus schließt er das? Ist es nicht so, dass Statusgüter heute schon eine unterschiedlichen Bedeutung für unterschiedliche Menschen haben, die in unterschiedlichen Milieus sich bewegen?
„Wenn man den Menschen aber einfach Geld gibt, schafft das verschiedenste politische Probleme. Wenn das Grundeinkommen beispielsweise niedrig ist, ermöglicht es den Menschen einen zwar ausreichenden, aber dennoch relativ niedrigen Lebensstandard. Damit schaffen Sie die derzeitigen Probleme nicht ab.“
Wer sagt denn, dass das BGE niedrig sein würde? Ist Turner Hellseher? Und wenn der politische Wille nur für ein niedriges BGE da wäre, dann wäre das so – dann wäre es aber auch gewollt. Turner gibt hier einen Paternalismus zu erkennen, der die Bürger offenbar vor sich selbst schützen soll (eine Haltung, die auch Christoph Butterwegge in seinen Beiträgen zeigt).
„Ich würde nicht ausschließen, dass eine gewisse Form des bedingungslosen Grundeinkommens eine Möglichkeit ist, aber vielleicht gibt es andere Dinge, die wichtiger sind. Zum Beispiel sicherstellen, dass man sehr gute, kostenlose Gesundheitsversorgung und Bildung bereitstellt. Oder den Bürgern subventionierte, hochqualitative öffentliche Verkehrsnetze und schöne öffentliche Plätze bieten.“
Das hat nun mit einem BGE nichts zu tun und steht ihm nicht entgegen, das eine schließt das andere nicht aus, es ergänzt einander.
„Es gibt viele Wege, Menschen mit relativ niedrigen Einkommen einen guten, angenehmen Lebensstandard zu geben, die wichtiger sind als einfach zu sagen ‚hier hast du etwas Geld.'“
Turner hat offenbar die Tragweite eines BGE, das kein Almosen von oben, keine gütige Geste, sondern ein Rechtsanspruch wäre, nicht verstanden. Selbstbestimmung und Freiräume, darüber zu entscheiden, wie man leben will jenseits des heutigen Vorrangs von Erwerbstätigkeit sind mehr als ein „angenehmer Lebensstandard“.
Sascha Liebermann