…so zumindest deutet Suanne Gaschke in ihrem Beitrag „Merkel verbeugt sich vor den digitalen Herrn“ auf Welt online die Überlegungen der „Herrn“ aus dem Silicon Valley zum Bedingungslosen Grundeinkommen. Doch, weshalb überhaupt konzentriert sie sich auf diese und weitet nicht den Blick auf die breite Diskussion zum BGE, auf die die Herrn nur aufgesprungen sind? Was schreibt sie zum BGE?
„Die meisten von ihnen [den Menschen, die zur Randerscheinung eines digital-kapitalistischen Komplexes geworden sind, SL] sind „Nutzlose“, weil die Maschinen ihnen die Arbeit wegnehmen und sie es irgendwie nicht schaffen, sich allesamt zu Informatikprofessoren fortzubilden. Ihnen bleiben nur Massenkonsum und Schwachsinnsunterhaltung.
Darum, so Bitkom, sollten sich die „entrückten“ Politiker endlich mal kümmern – zum Beispiel mit einem „bedingungslosen Grundeinkommen“. Für die „Nutzlosen“, so darf man vermuten.“
Nur, weil jemand seinen Arbeitsplatz verliert und in der Folge der Einstieg nicht mehr gelingt, ist er nicht „nutzlos“. Er mag an diesem Arbeitsplatz nicht mehr gebraucht werden – als Mitarbeiter; deswegen ist er als Mensch – konkret: als Angehöriger eines Gemeinwesens – noch lange nicht nutzlos. Denn diese Angehörigkeit wird gar nicht am Nutzen gemessen. Das ist gerade ihre Stärke. Nun zitiert Gaschke offenbar diesen Ausdruck „Nutzlose“, das macht ihn aber nicht besser, auch wenn die Sozialwissenschaften sich an dieser sprachlich-analytischen Verwirrung vor Jahren maßgeblich beteiligt haben (siehe hier und hier).
Weshalb sollte nun gerade dieser Arbeitsplatzverlust zu „Massenkonsum und Schwachsinnsunterhaltung“ führen? Weil die Bürger zu unselbständig sind? Zitiert Gaschke hier die ‚tittytainment‘-These, derzufolge, wer keine Erwerbsarbeit hat, vor bespaßt werden müsse, damit es nicht zu sozialen Unruhen komme? Heute, da Erwerbstätigkeit normativ über allem zu stehen scheint, liegt es nahe, dass, wer erwerbslos wird, sich am Rande fühlt. Das ist aber kein Schicksal, keine Ereignis, dem sich bloß gefügt werden kann, es geht auf den normativen Vorrang von Erwerbstätigkeit zurück. Also kann es doch nur darum gehen, ihn aufzuheben, um die Bürger in ihrer Bereitschaft, zum Gemeinwohl beizutragen, nicht weiter zu hemmen. Vielfalt zulassen sollte die Maxime sein, auch Vielfalt im Engagement, ganz gleich, wo es geschieht. Das geht aber nur, wenn der Vorrang von Erwerbstätigkeit relativiert ist, dazu bedarf es eines BGE.
Gaschke bezieht sich offenbar auf eine Äußerung der „Bitkom“, die in den vergangenen Tagen ein BGE gefordert hatte. Sie hat offenbar nicht verstanden, worum es geht, denn ein BGE ist nicht für diejenigen gedacht, die nicht erwerbstätig sind, sondern für alle, gerade daher würde es die Grundlage für Engagement erheblich verändern.
Sie schließt ihren Kommentar mit folgender Passage ab:
„Nun könnte eine große Koalition durchaus entschlossen gegen diese erneute Privatisierung gigantischer Profite bei gleichzeitiger Vergemeinschaftung des Risikos vorgehen: etwa durch eine Maschinen- und eine Finanztransaktionssteuer; außerdem durch eine Bildungspolitik, die Menschen souverän und kritisch im Umgang mit digitalen Angeboten macht.“
„Bildungspolitik, die …. macht“. Bildungspolitik kann niemanden kritisch im Umgang mit irgendetwas machen, Bildung hingegen kann dazu führen, zu solch kritischem Umgang fähig zu sein. Sie kann man aber nicht wie mit dem Nürnberger Trichter in jemanden hineinstopfen, Bildung kann nur ermöglicht werden (siehe hier, hier, hier und hier). Dazu braucht es aber Freiraum, sich auf etwas einlassen zu können, weil man es interessant findet. Das gilt für Kinder wie Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen. Ein BGE würde hierzu ebenfalls seinen Beitrag leisten – Freiraum schaffen, Anerkennung einer Person um ihrer selbst willen.
Sascha Liebermann