„Wie mit Quellen umgehen? Oder: ich suche mir heraus, was mir gefällt“…

…so habe ich einen Leserbrief übertitelt, mit dem ich auf einen Beitag von Johannes Mosmann zum Bedingungslosen Grundeinkommen („Das Grundeinkommen kommt mit seinen Fragen“) reagiert habe, der in die Drei veröffentlicht wurde. Es ist der zweite Teil seiner Auseinandersetzung mit dem BGE, den ersten finden Sie hier sowie Leserbriefe dazu hier

Mosmann zitiert an einer Stelle aus einem Interview mit, das Alice Grinda vor vielen Jahren mit mir geführt und für ein Video verarbeitet hatte.

Mosmann kritisierte eine Äußerung, die durch die Verarbeitung im Video aus dem Zusammenhang gerissen wurde. Wer sich den ganzen Clip ansieht, kann noch erschließen, was der Zusammenhang gewesen sein muss, die Fragen von Alice Grinda sind nur durch die Antworten zu erahnen. Die Interviews mit Passanten zu ihrem Verständnis von Arbeit sind nach wie vor interessant und hochaktuell.

Der Zeitschrift habe ich einen Leserbrief geschickt, um auf diesen eigenartigen Umgang mit Quellen hinzuweisen, hier ist er im Wortlaut:

„Wie mit Quellen umgehen? Oder: ich suche mir heraus, was mir gefällt

In seinem Beitrag „Das Grundeinkommen kommt mit seinen Fragen“ (Ausgabe 3/18) bezieht sich Johannes Mosmann auf eine Überlegung, die ich in einem Interview vor etlichen Jahren geäußert habe. Das Interview wurde, wie unschwer an der von Mosmann angegebenen Quelle zu erkennen, in einem Stück geführt und dann für den Videoclip in einzelne Passagen zerlegt. Schaut man sich die verschiedenen Passagen des Videos an, die der von Mosmann zitierten Stelle vorangehen, wird deutlich, worauf ich mich bezog. In dem Videoclip werden Interviews mit Passanten gezeigt, die sich zu ihrem Verständnis von Arbeit – meist in dem engen Sinne von Erwerbsarbeit – äußern. Die meisten stellen dabei direkt einen Bezug zur Einkommenserzielung her, zum „Geldverdienen“, manche heben heraus, dass es ihnen um den Sinn von Arbeit gehe, um Kontakte zu knüpfen und anderes mehr. Nun wirft Mosmann mir in seinem Beitrag Weltfremdheit vor, weil ich angeblich das Steueraufkommen, das „Abgeleitete“, „für die Sache selber“ halte. Im Interview äußere ich mich zur erklärungsbedürftigen, aber häufig anzutreffenden Diskrepanz zwischen Wirklichkeit und Wirklichkeitsdeutung, unterscheide die Sinnerfüllung im Handeln von der Deutung dieser Sinnerfüllung. Die „Krücke“, Arbeit als Beitrag zum Steueraufkommen zu deuten, ziehe ich dort heran, um deutlich zu machen, wie jemand, der keine für ihn erfüllende Tätigkeit ausübt, sie dennoch adeln kann, weil er, solange es um Erwerbstätigkeit geht, sich der Wertschätzung durch das Gemeinwesen sicher sein kann. Es geht nicht darum, dass sich Arbeit darin erschöpfe oder dass dies der Sache nach entscheidend wäre für den Arbeitsprozess, sehr wohl aber für seine Wertschätzung angesichts des heutigen Verständnisses von Arbeit. Dem hält Mosmann dann im Rückgriff auf Steiner das richtige Verständnis entgegen, welches den Wert von Arbeit im Bereitstellen von Konsum für andere sehe. Darum ging es in dem Interview allerdings gar nicht und war auch nicht der Punkt, auf den ich damals offenbar hinauswollte. Auffallend an denen im Video wiedergebenen Interviews ist eben gerade, dass kaum einer der Befragten die von Mosmann herausgehobene Seite anspricht, sehr wohl aber die andere der Einkommenserzielung, als arbeitete jemand nur für sich selbst. Das Missverständnis ist in meinen Augen Resultat der Voraussetzung, die Mosmann macht, er geht von dem in seinen Augen richtigen Begriff von Arbeit aus und hört gar nicht auf das, was in den Interviews gesagt wird. Darauf aber bezog ich mich, wie unschwer zu erkennen ist, wenn alle Passagen angeschaut werden. Die mir vorgeworfene Weltfremdheit ist also eine wirkliche, eine der Wirklichkeit selbst, wenn man so will. Man kann nun den Menschen attestieren, wie sehr sie daneben liegen und beseitigt damit eine Wirklichkeit. Das wäre ein sonderbares Verständnis von Forschung, nicht haben zu wollen, was in der Welt ist. Angesicht des zerlegten Interviews, das dem Betrachter abverlangt, den Zusammenhang der Äußerungen zu erschließen, hätte sich für eine Auseinandersetzung eine geeignetere Quelle angeboten, vielleicht eine meiner zahlreichen Veröffentlichungen. Aber dann wäre der fulminante Vorwurf womöglich nicht aufrecht zu erhalten gewesen.“

Sascha Liebermann