„Wie sinnvoll ist ein Grundeinkommen wirklich?“ – Ein differenzierter Beitrag mit blinden Flecken,…

…so würde ich den Beitrag auf Quarks charakterisieren, der gut gelungen ist. Er führt Argumente dafür und dagegen auf, so dass man sich ein Bild von der Diskussion machen kann. Hervorgehoben wird darüber hinaus, wie wichtig die Ausgestaltung ist, damit bestimmte Folgen eintreten können.

Vielleicht ist es nicht die Aufgabe eines solchen Überblicks, doch es verwundert ein wenig, weshalb gar keine Verbindung zwischen BGE und den Grundfesten der Demokratie gezogen wird. Dann würden sich manche Diskussionen nämlich erübrigen und Fragen anders gestellt werden müssen. Ob z. B. die Bürger mit einem BGE vernünftig umgehen, ist deren Sache, es gibt keine Instanz, die darüber zu befinden legitimiert wäre. Wer dieses Mündigkeitsprinzip aufgeben wollte, weil er sich um das Gemeinwesen sorgte, müsste die Demokratie gleich mit aufgeben – darüber sind sich manche, die sich besorgt äußern, nicht im Klaren. Hierbei geht es also nicht um Pro und Kontra BGE, sondern um die Frage, wie ernst die Demokratie genommen wird. Was diesen blinden Fleck betrifft, da handelt es sich um den zentralen in der Diskussion, in der Demokratie als empirisches Phänomen selten herangezogen wird, um ein BGE zu begründen.

Erst so aber gelangt man über die notorische Menschenbildfrage hinaus. Was unerwünschte Folgen betrifft, da verweist der Beitrag auf Studien über Arbeitslosigkeit, doch hier wird – wie meist – übersehen, dass die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit mit der normativen Stellung von Erwerbstätigkeit zu tun haben.

Nur deswegen kann die Illusion entstehen, durch Erwerbstätigkeit sei man „Teil der Gemeinschaft“, man ist es aber nicht als ganze Person, sondern folgt nur einer Norm, durch die vermittelt das eigene Handeln Anerkennung erfährt, nicht aber die Person unabhängig von Erwerbstätigkeit. Deutlich wird das ja gerade dann, wenn jemand erwerbslos wird.

Am Ende wird der größte Haken in der fehlenden wissenschaftlichen Grundlage gesehen, so dass nur bliebe, über Auswirkungen zu spekulieren. Das ist aber nicht ganz richtig (siehe oben), denn die Frage, wie ein BGE sich auswirken könnte, hängt entscheidend von der Antwort auf die Frage ab, warum Bürger so gehandelt haben, wie sie es bislang getan haben. Würde hier einmal die Verbindung gezogen zwischen dem Mündigkeitsprinzip der bestehenden (!) Demokratie und dem BGE, dann käme etwas Licht ins Dunkel.

Apropos „unbezahlte Arbeit“ – sie taucht nur am Rande auf. Bedenkt man hier, wie wenig selbst Eltern sich dessen bewusst zu sein scheinen, die nun permanent die Erfahrung machen, wie fordernd Sorgetätigkeiten in diesem Zusammenhang sind, wie unerlässlich sie für ein lebendiges Familienleben sind, dann ist es wohl weniger überraschend, dass sie hier unter den Tisch fällt. Man kann darin das Resultat einer gesamtgesellschaftlichen Umdeutung erkennen, in der Familienleben vornehmlich als Herausforderung in der Organisation von Betreuung verstanden wird. Das zeigt sich sowohl in der Familienpolitik, die eine Art erweiterte Arbeitsmarktpolitik geworden ist, als auch in der ungebrochenen Nachfrage nach Ganztagsbetreuung.

Sascha Liebermann