„So hart arbeiten Erzieherinnen“…

…darüber schreibt Alexander Hagelüken in der Süddeutschen Zeitung und weist auf die Arbeitsbedingungen hin, die zwar vielen Eltern bekannt sein müssten, die aber nicht die entsprechende Beachtung zu finden scheinen. Warum ist das ein besonderer Beruf, um den es geht?

Weil – anders als dort, wo standardisierte Dienstleistungen bereitgestellt werden – es keine fertige Dienstleistung gibt, sondern sie erst im Vollzug mit dem Gegenüber entsteht. Deswegen, weil das Gegenüber ein konkretes, in seiner Eigenheit zu beachtendes ist, lässt sich der Vollzug nicht planen wie im Produktionsprozess, mit Abweichungen muss immer gerechnet werden, sie machen den Alltag geradezu aus. Das macht den Beruf besonders fordernd für diejenigen, die ihn ausüben.

Ähnliches zeigt sich auch in der Sphäre ärztlichen Handelns. In Heft 4 (2012) der Zeitschrift Kinder- und Jugendarzt beschreibt Hendrik Crasemann (S. 208, „Die unorganisierte Praxis“) dasselbe Phänomen, er schildert die erste halbe Stunde nach Öffnung seiner Kinderarztpraxis. Deutlich wird daran, dass ein Praxisablauf in dessen Zentrum die Behandlung von Kindern steht, sich noch weniger durchplanen lässt als einer, der sich auf Erwachsene richtet, denn das Leben lässt sich nicht planen, ganz besonders dann, wenn es mit Leid verbunden ist. Diese krisenhafte Seite gilt für alle Berufe, die keine standardisierten Dienstleistungen in dem Sinne erbringen, dass das Produkt schon feststeht, sondern der Patient in seiner Einzigartigkeit im Zentrum steht. In der Professionalisierungstheorie spricht man davon, dass diese „Berufe“, die im Grunde keine Berufe, sondern Professionen sind, ein Widerspruch für das Handeln grundlegend ist. Auf der einen Seite handelt es sich um eine Dienstleistung, die einen klar eingegrenzten Auftrag hat, auf der anderen Seite aber steht im Zentrum ein leidender oder verwundbarer Mensch in seiner Entwicklung. Beides muss miteinander vermittelt werden, deswegen bedarf es einer besonderen Form der Ausbildung.

Sascha Liebermann