… darüber schreibt Ulrike Herrmann in der taz und befasst sich, auch wenn das nicht das zentrale Thema ist, wieder einmal mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen, und zwar in aufschlussreicher Weise. Hier der Auftakt des Beitrags:
„Deutschland tut momentan so, als könnte es drei Planeten verbrauchen. Bekanntlich gibt es aber nur eine Erde. Wenn wir überleben wollen, müssen Produktion und Konsum schrumpfen. Über dieses „grüne Schrumpfen“ wird bisher jedoch kaum nachgedacht, was kein Zufall ist. Denn nicht nur die Wirtschaft würde sich völlig verändern, auch das Verhältnis von Arm und Reich, der Sozialstaat oder die Möglichkeiten der privaten Vorsorge würden sich komplett wandeln. Die Gesellschaft wäre nicht mehr wiederzuerkennen.“
Dass über das „Schrumpfen“ kaum nachgedacht werde, ist wohl eher als relative Aussage zu verstehen, wenn man an die Postwachstums- und Degrowth-Debatte denkt oder gar noch weiter zurückgreift, z. B. auf den Bericht des Club of Rome „Limits to Growth“. Sebastian Thieme hat unlängst auf weitere Debattenvorläufer hingewiesen.
Auf andere Thesen soll hier nicht weiter eingegangen werden und der Fokus auf ihre Bemerkung zum BGE gerichtet werden. Was sagt sie dazu?
„Der Sozialstaat, wie wir ihn heute kennen, würde sich weitgehend erübrigen. Es gäbe keine großen Unterschiede mehr zwischen Renten oder einer Arbeitslosenversicherung. Die Rationen wären für alle gleich. Trotzdem sollte man nicht glauben, dass die Ära eines „bedingungslosen Grundeinkommens“ naht, in der jeder frei Haus Rationen beanspruchen kann. Dazu sind Erwerbsfähige künftig zu knapp. Es wird sehr viel Arbeit machen, Deutschland klimaneutral umzugestalten.“
Was folgt hieraus? Renten wie Arbeitslosengeld I sind Ansprüche aus vergangener Erwerbstätigkeit, wie aber ist es dann mit den anderen, eine Beibehaltung des Bürgergeldes, gar eine Verschärfung, damit die Arbeitspflicht durchgesetzt werden kann? Herrmann äußert sich hierzu nicht, wirft die Frage jedoch durch die Abgrenzung zum BGE auf. Will sie Existenzsicherung von Erwerbsleistung bzw. -bereitschaft abhängig machen? Weder scheint sie sich Gedanken über den Zusammenhang von Erwerbsgebot und Konsumverhalten zu machen noch scheint eine Existenzsicherung für sie vorbehaltlos zu gelten, gar unverfügbar zu sein. Damit bleibt sie ihrer Linie treu, die sie in früheren Veröffentlichungen schon hat erkennen lassen und blind gegenüber den Grundfesten der Demokratie (siehe hier, hier, hier, hier, hier und hier).
Wie begründet sie das?
„Die Wälder müssen wieder aufgeforstet werden, und auch der Ökolandbau benötigt sehr viel mehr Arbeitskräfte als die heutige industrialisierte Landwirtschaft, von der wir uns verabschieden müssen, wenn wir Boden, Grundwasser und Artenvielfalt schützen wollen. Zugleich ist auch die Öko-Energie ein riesiges Infrastrukturprojekt, das sehr viele Arbeitskräfte binden wird. Es müssen Häuser gedämmt und Wärmepumpen eingebaut werden, es sind Solarpaneele und Windräder zu installieren. Der grüne Wasserstoff braucht Elektrolyseure, Gaskraftwerke und Pipelines. Große Teile der Industrie müssen umgerüstet werden. Es ist nicht damit zu rechnen, dass die Gesellschaft bereit ist, dringend benötigten Arbeitskräften ein „bedingungsloses Grundeinkommen“ zu zahlen. Für Erwerbsfähige wird es die Rationen nur geben, wenn sie arbeiten.“
Wie die „Gesellschaft“ das sieht oder sehen wird, bleibt abzuwarten, bislang jedenfalls, ganz ohne das hier entworfene Szenario konnte sie sich kein BGE vorstellen (daran ändern Umfragen nichts). Aufschlussreich ist hier, dass Herrmann um eine Erwerbsverpflichtung, die sanktionsbewehrt sein muss, gar nicht herumkommen kann, es sei denn, sie würde darauf vertrauen, dass die Bürger das erkennen bzw. durch öffentliche Debatten darüber gestritten werden kann. Dann bräuchte sie aber die Verbindung zwischen „Rationen“ und „arbeiten“ nicht zu ziehen. Es droht ein – man sehe mir die polemische Zuspitzung nach – erbarmungsloseres Arbeitshaus, als wir es kennen.
Sascha Liebermann