…wie er dabei vorgeht, dazu gibt Prof. Antonio Brettschneider Auskunft in einem Interview (hier die Verschriftung dazu auf der Website von Mein Grundeinkommen). Die von ihm vorgestellte Forschung mit nicht-standardisierten Daten, wie die „qualitativen Daten“ besser zu nennen wären, ist insofern nicht selbstverständlich, als dass sie in der Sozialpolitikforschung eine eher randständige Rolle spielt, ganz wie in der Forschung zum Bedingungslosen Grundeinkommen auch (siehe meine Anmerkungen dazu hier). Forschungsgespräche, gemeinhin als Interviews bezeichnet, sind nur eine Form nicht-standardisierter Daten, ihre Erhebung ist das eine, wichtiger noch ist ihre Auswertung, wie dabei vorgegangen wird, wie Deutungen (Rekonstruktionen) belegt werden. So gibt es in der sogenannten qualitativen Forschung eine Spannbreite von geradezu wiederum standardisiert (subsumierend) vorgehenden Auswertungsverfahren, die den Zweck ins Gegenteil verkehren über Verfahren, deren Auswertungsweg nicht klar ist, bis zu solchen, die der Bedeutungsstruktur von Handeln möglichst nahe zu kommen versuchen (in Anlehnung an die hermeneutische Tradition, allerdings mit methodisch strengen Maßstäben, besonders elaboriert in der Objektiven Hermeneutik Ulrich Oevermanns (siehe auch hier).
Nicht selten, durchaus auch in der innerwissenschaftlichen Methodendiskussion, wird diesen Verfahren unterstellt, sie seien „weich“, ihre Deutungen „subjektiv“, auf keinen Fall aber so „hart“ wie standardisierte Verfahren. Dass dem nicht so ist, haben diese Verfahren schon lange bewiesen, auch wenn es dabei schlechtere und bessere gibt. Wenn Brettschneider sagt, diese Forschung werde „ergänzend“ in dem Projekt eingesetzt, so entspricht das eher den verbreiteten Einschätzungen, die qualitative Forschung erzeuge keine „harten“ Erkenntnisse. Es ist auch nicht zutreffend, dass sie nur die „subjektive“ Sicht auf Alltagsprobleme zu bestimmen erlauben, denn die Sicht bzw. Deutung dieser Handlungsprobleme durch den Gesprächspartner enthalten nicht nur seine Sicht darauf, sondern auch die Handlungsprobleme selbst, auf die hin die Deutungen eine Antwort geben.
Im Unterschied zu der Einschätzung, qualitative Verfahren seien ergänzend oder weich, könnte man begründet dafür argumentieren, dass sie es erst erlauben, die für standardisierte Erhebungen genutzten Kategorien und Klassifikationen material zu fundieren, also zu bestimmen, ob sie sich überhaupt eignen. „Hart“ wären dann die Deutungen, die man mit qualitativen Verfahren gewinnen kann, „weich“ die mit standardisierten Verfahren.
Sascha Liebermann