„Wenn Elternschaft bezahlt würde“…

…ein Feature im WDR im Rahmen der Sendung Neugier genügt. Der Beitrag befasst sich mit den Herausforderungen von Elternschaft und der mangelnden gesellschaftlichen Anerkennung der Leistung, die Eltern, in der Regel erheblich mehr die Mütter, erbringen. Einige Gesprächspartner berichten aus ihrem Alltag und machen die Zerrissenheit deutlich, die ihn prägt, wenn sie Beruf und Familie unter einen Hut bringen wollen. Anders als sonst üblich, wenn es um die „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ geht, wird die Zerrissenheit durch zweierlei Verpflichtungen, die denkbar unterschiedlich sind, nicht geglättet. Vor diesem Hintergrund wird dann die Frage gestellt, wie Familien gestärkt werden, wie sie mehr gesellschaftliche Anerkennung erfahren könnten? Der Vorschlag eines „Erziehungsgehalt[s]“ kommt dabei zur Sprache, das Christian Leipert und Michael Opielka Ende der 90er Jahre vorgestellt hatten (eine kurze Übersicht zum Konzept eines Erziehungsgehalts von Leipert und Opielka in einer Kurzfassung von 2002 finden Sie hier, die Langfassung von 1998 hier).

Im Vergleich zur heutigen Familienpolitik der vergangenen Jahre – man vergleiche nur die Vorschläge dazu in den Familienberichten der Bundesregierung, die auf immer mehr Erwerbstätigkeit hinauslaufen – ist der Vorschlag eines Erziehungsgehalts sehr weitreichend, auch wenn er den Vorrang von Erwerbstätigkeit nicht aufgibt, aber immerhin doch stark relativiert. Insofern bietet es die Möglichkeit, tatsächlich mehr Zeit mit der Familie zu verbringen.

Noch weiter ginge der Vorschlag eines Bedingungslosen Grundeinkommens, da er die finanzielle Absicherung gar nicht an die konkrete Lebenssituation knüpft, doch davon ist im Feature leider keine Rede, obwohl genau das in der BGE-Diskussion eine erhebliche Rolle spielt. Die Stellung von Erwerbstätigkeit wird im Beitrag des WDR nur relativiert, nicht aber hinterfragt, obwohl die Folgen ihres Vorrangs allzu sichtbar sind. Nicht beleuchtet wird die Frage, inwiefern Eltern ihre Lage verbessern könnten, indem zeitweise Ansprüche aufgegeben und ruhen gelassen werden. In Analysen, die ich im Rahmen meiner Forschung durchgeführt habe (siehe z. B. hier), zeigte sich eher, dass Eltern geradezu selbstverständlich auf die Nutzung von Kitas vor dem dritten Lebensjahr setzen und sich gerade die Zeit eher nicht nehmen, die es für ein lebendiges Familienleben bräuchte.

Der im Beitrag befragte Ökonom, Helmut Reiner, beklagt vor allem die durch eine solche Unterstützung zu erwartende Reduktion des Arbeitsangebots, insobesondere bei Alleinerziehenden, und stellt sich die Frage nicht, zumindest nicht in den erwähnten Passagen, dass Familie ohne Zeit füreinander eben kein Familienleben haben kann. Es ist also kaum überraschend, dass gerade Alleinerziehende ihre Arbeitszeit dann womöglich reduzieren würden, weil sie in ihrer Elternposition besonders gefordert sind.

Die Behauptung, dass viele Eltern ihre Kinder nicht in langen Betreuungszeiten in Kitas unterbringen wollen, scheint mir doch sehr gewagt, sowohl angesichts unserer Befunde aus verschiedenen Analysen von Interviews mit Eltern als auch mit Blick auf den Familienreport 2024 (S. 79 ff.), wobei dessen Grundlage standardisierte Befragungen sind (zur einer methodischen Einordnung ihres Stellenwerts, siehe hier und hier).

Es geht in der Diskussion also um eine grundsätzliche Frage: will ein Gemeinwesen Eltern die Möglichkeit geben, sich nach eigenem Dafürhalten ihrer Verantwortung zu stellen, dann ist eine erwerbsunabhängige Einkommensquelle unerlässlich. Der Vorschlag eines Erziehungsgehalts geht einen deutlichen Schritt in diese Richtung. Weiter allerdings geht ein BGE, weil es eine Einkommenssicherung gar nicht mehr von den Lebensumständen abhängig macht – so kann jeder entscheiden, wie er sein Leben gestalten will, ob dazu Erwerbstätigkeit gehört und in welchem Umfang oder auch gar nicht oder nur phasenweise.

Sascha Liebermann