„Es würde funktionieren“…

…so ist ein Interview mit Christoph Werner, Vorsitzender der Geschäftsführung bei dm, in der Frankfurter Rundschau übertitelt. Interessant sind manche Überlegungen besonders im Kontrast zu gängigen Äußerungen in der Diskussion um Bürgergeld und Bedingungsloses Grundeinkommen.

An einer Stelle hebt Werner heraus, dass ein BGE eben – anders als beim Bürgergeld – immer zusätzliches Einkommen wäre. Daraus folgte dann, dass Diskussion um eine Transferentzugsrate erledigt wäre. Zugleich geht er mit der Möglichkeit, sich nicht einzubringen, gelassen um:

„Die meisten Menschen wollen arbeiten – nicht aus Zwang, sondern weil sie sich darin ausdrücken können. Es gibt natürlich auch einige, die nicht arbeiten wollen, aber es sind sehr wenige und damit kann eine Gesellschaft umgehen. Wichtiger ist, dass Menschen nicht mehr nur arbeiten, um sich abzusichern, sondern weil sie ihre Tätigkeit als sinnvoll erachten und damit zur Exzellenz bringen wollen.“

Diese Dimension, sich in der Arbeit – hier wohl nur Erwerbsarbeit – ausdrücken zu können, sich zum Ausdruck zu bringen, wird von denjenigen, die nur die Lohnanreizwippensimulation benutzen, nicht berücksichtigt. Wer andere Dimensionen für mindestens gleichrangig erachtet, wird schnell als Gutmensch, Idealist oder weltfremder Humanist betrachtet. Darüber hinaus sieht Werner keine Gefahr darin, wenn sich nun wenige ganz verweigern würden, er hebt sogar heraus, wie sehr ein BGE die Leistungsorientierung unterstützen würde.

„[FR] Kritiker befürchten, dass viele unliebsame Jobs mit der Einführung des BGE nicht mehr besetzt würden. Ist diese Sorge berechtigt?

[Werner] Es gibt eine ganze Menge an Tätigkeiten, die wir wirtschaftlich automatisieren könnten. Bei den restlichen Stellen glaube ich nicht, dass sie aufgrund des BGEs unbesetzt bleiben würden. Die Attraktivität von Arbeit ist sehr subjektiv: Was für den einen unattraktiv scheint, kann von anderen als sinnvoll und befriedigend erlebt werden.“

Auch hier kommt ein wichtiger Aspekt zur Sprache, und zwar wie unterschiedlich die Einzelnen spezifische Aufgaben wahrnehmen und bewerten. Jenseits einer gesellschaftlichen Bewertung von Tätigkeiten ist die individuelle Bewertung von Gewicht, denn danach entscheidet sich letztlich, wo sich jemand zu engagieren für sinnvoll erachtet. Was dem einen unnütz oder sinnlos erscheint, muss es für den anderen nicht sein (siehe auch hier). So lässt sich auch erklären, weshalb – so habe ich es wiederholt erfahren – Akademiker dazu tendieren, „unangenehme“ Tätigkeiten (siehe auch hier) zu identifizieren, die doch keiner mehr machen würde, weil sie ihren Bewertungstandpunkt schlicht verallgemeinern. Dass für andere genau deren Tätigkeiten hingegen unangenehm sind, wird gar nicht in Betracht gezogen.

An einer anderen Stelle führt er aus:

„[FR]Die Pilotstudie aus Deutschland hat gezeigt, dass Menschen mit BGE häufiger den Job wechseln. Macht man sich da als Unternehmer Gedanken, dass einem die Mitarbeitenden davonrennen könnten?

[Werner] Als Unternehmer sehe ich das nicht als Problem. Wer gute Arbeitsbedingungen bietet, wird auf der Gewinnerseite stehen. Viele Menschen wagen es wegen finanzieller Sorgen nicht, den Job zu wechseln. Das Grundeinkommen macht Mut, Veränderung zu wagen. Mehr Risiko wäre sogar gut für unsere Gesellschaft.“

Wie die schon oben erwähnte Dimension, sich in der Arbeit auszudrücken, so wird auch diese hier in der Regel vernachlässigt. Es wird häufig davon ausgegangen, an den Arbeitgebern und ihren Angeboten könne es ja nicht liegen, also müsse die fehlende Leistungsbereitschaft der Bürgergeldbezieher oder gar des Menschen im allgemeinen der Grund sein, weshalb ein BGE nicht funktionieren könne. Werner hingegen misst den Arbeitsbedingungen die wichtigste Bedeutung zu.

Bemerkenswert ist auch, was er zur Diskussion über die Erhöhung der Arbeitsstunden zu sagen hat:

„[FR]Forderungen, dass Deutsche aufgrund der schwächelnden Wirtschaft mehr arbeiten sollen, halten Sie also für nicht sinnvoll?

[Werner] Es geht nicht um mehr Arbeitsstunden, sondern um mehr Output auch durch Produktivität. Flexible Arbeitsmodelle wie die 4-Tage-Woche oder Homeoffice bei dafür geeigneten Tätigkeiten können die Effizienz sogar steigern, weil sie Menschen ermöglichen, ihre Zeit selbst einzuteilen und so die Bedingungen zu schaffen, unter denen sie am produktivsten sich einbringen können.“

Damit gehört er zu den seltenen Stimmen, die nicht die Arbeitsstunden für entscheidend halten, sondern was dabei herauskommt. Statt nur über eine Erhöhung der Arbeitsstunden zu diskutieren, wäre doch vielmehr die Frage zu stellen, inwiefern Arbeitsbedingungen so verbessert werden können, dass sie zu einem besseren Ergebnis führen. Entscheidend, so lässt sich daraus folgern, ist eben die Wertschöpfung und nicht die Beschäftigung. Wer die Arbeitsbedingungen hierbei vernachlässigt, übersieht einen entscheidenden Punkt, deswegen ist das BGE auch als ein Mittel zu verstehen, mit dessen Hilfe Arbeitsbedingungen verbessert werden könnten und womöglich auch müssten.

Sascha Liebermann