…eine Studie der BertelsmannStiftung (hier die ausführliche PDF-Fassung), die Einblicke in die Lebenslagen von Leistungsbeziehern, das Verhalten der Jobcenter und die Hürden zur Arbeitsaufnahme gibt.
Man sollte sich nicht von der Betitelung auf der Website zur Studie beeindrucken lassen, dass 57% der Bürgergeldbezieher nicht nach Arbeit suchen, denn die Detailbefunde sind differenzierter, in der PDF-Version ist hier die Zusammenfassung ab S. 34 hilfreich. Schwer nachvollziehbar ist, weshalb die 57% herausgestellt werden, wenn bei näherer Betrachtung diese Gruppe weiter differenziert werden muss und die Problemlagen komplexer sind, als es diese Betitelung erkennen lässt.
Besonders ärgerlich ist aus methodischer Sicht, dass zwar von einem „Mixed Methods“-Ansatz die Rede ist, standardisierte (quantitative) und nicht-standardisierte (qualitative) Methoden genutzt wurden, doch gerade bezüglich letzter erfährt man lediglich etwas über die Datenerhebung, nicht aber über die Datenauswertung. Es ist leider ein Missstand, dass unter der Nutzung „qualitativer Methoden“ die unterschiedlichsten Dinge verstanden werden und nicht selten alleine schon die Datenerhebung ausreicht, damit eine Studie als qualitativ gilt, auch wenn keine methodisch-disziplinierte Auswertung vorgenommen wurde.
In der Studie selbst werden zwar Ausschnitte aus den Forschungsgesprächen zitiert, doch werden diese Stellen eher umschreibend wiedergegeben, nicht aber analysiert. Wer ein wenig vertraut ist mit dem Methodenrepertoire nicht-standardisierter Verfahren und den entsprechenden Debatten weiß, dass es auf die methodisch-disziplinierte Auswertung ankommt und die Erhebung alleine lediglich Material hervorbringt. Auch wenn gerade im Methodenteil der eigene Charakter von „Tiefeninterviews“ hervorgehoben wird, bleibt das Auswertungsvorgehen im Dunkeln.
Zum für die Grundlagenforschung elementaren Charakter nicht-standardisierter Methoden siehe diesen älteren Beitrag Ulrich Oevermanns. Zur Objektiven Hermeneutik als elaborierter Methodologie und Kunstlehre, siehe diesen Beitrag Oevermanns. Dieses „Arbeitsbuch“ von Aglaja Przyborski und Monika Wohlrab-Sahr gibt einen Einblick in die Methodendiskussion in der „Qualitativen Sozialforschung“.
Beiträge von unserer Seite zur Methodenfrage in der Forschung zum BGE siehe hier und hier, von Ute Fischer und Sascha Liebermann jüngst auch hier (open access).
Sascha Liebermann
