Wieder einmal denken sich unsere politischen Repräsentanten komplizierte „Anreizsysteme“ aus, um Unternehmen dazu zu ermuntern, Arbeitsplätze zu schaffen. War es im letzten Jahr die Initiative 50 Plus, soll nun durch einen Ausbildungsbonus (FAZ, 22. Juni, Wirtschaftsteil) für Unternehmen, also eine zweckgebundene Subvention, darauf Einfluß genommen werden, daß Jugendliche mit niedrigen Qualifikationen und ohne Schulabschluß mehr Chancen am Arbeitsmarkt erhalten. Auch Paten soll es geben, vielleicht ältere Arbeitslose, die Jugendlichen beratend zur Seite stehen. Ob dies alles wohl freiwillig geschehen soll, ob den Arbeitslosen dabei die Wahl gelassen wird, ob sie es überhaupt wollen? Ob denn die Jugendlichen gefragt werden, ob sie es wollen? Angesichts der Hartz-Maschinerie sind Zweifel angebracht.
Sogleich hat der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) diesen Vorschlag, laut FAZ, kritisiert. Es mangele an Qualifikation der Jugendlichen. Anstelle eines solchen Bonus sollten Jugendliche lieber gefördert werden. Ja, ganz recht, aber wie? Da hilft es wenig, wenn die Bundesbildungsministerin fordert, die Zahl der Schulabbrecher müsse reduziert werden.
Welche Chancen bieten wir Jugendlichen denn? Wird Bildung als Selbstbildung verstanden oder soll nur der Nürnberger Trichter je mehr zum Einsatz gelangen, desto mehr er versagt? Seit Jahren folgt die Bildungspolitik – trotz der PISA-Ergebnisse – der Maxime: Anpassung fördern, Individualentwicklung verhindern, Neugierde abtrainieren. Statt auf Neugierde und Interesse bei Schülern und Studenten zu vertrauen und jeden Unterricht, jede Lehre zu ihrer Förderung zu nutzen; statt Erfahrung zu ermöglichen, die von der Bereitschaft des Einzelnen, sich auf sie einzulassen, ihren Ausgang nimmt, zentralisieren wir, entwickeln rigide Lehr- und Studienpläne (Zentralabitur, gestufte Studiengänge). Nicht Bildung, also Vielfalt, wollen wir ermöglichen – wir wollen sie erzwingen. Die Schrauben der Bildungssortiersysteme werden angezogen – Individualentwicklung also durch Zwang und Druck? Als wüßten wir nicht, als könnten wir nicht wissen, wenn wir wollten, daß nirgends Bildungsbemühungen weniger Erfolg haben als dort, wo Bildung erzwungen wird.
Ein Tor, wer glaubt, mit Zwang und Druck könnten wir unsere Probleme lösen. Lehrt uns das Leben nicht, daß dort sich Neues entwickelt, wo Neugierde und Begeisterung, wo Initiative gefördert werden?
Ein bedingungsloses Grundeinkommen (bGE) ist eine einfache, eine wirkliche Antwort auf die Sorgen unserer Zeit. Jugendliche könnten sich frei entwickeln, sich Orte und Personen suchen, von denen sie lernen wollen. Geht heute Druck von der Lage am Arbeitsmarkt aus, würde dieser Druck der Chance der Freiheit weichen. Eine Freiheit, die Anstrengungen erfordert, von jedem – sie ist kein Paradies, sondern eine Zumutung. Jeder aber könnte sein Leben nach seinen Neigungen und Interessen, nach seine Fähigkeiten und Möglichkeiten gestalten – ein Leben in Würde, nicht in Überwachung durch die Hartz-Maschinerie wäre möglich. Da ein bGE den Lohn von der Aufgabe befreite, die Existenz zu sichern, wären Auszubildende für Unternehmen günstiger als heute, ohne daß sie weniger Einkommen zur Verfügung hätten. Das gälte für alle Arbeitnehmer. Sie müßten sich aber gar nicht am Arbeitsmarkt orientieren, könnten Ausbildungen auch jenseits davon absolvieren und sich bürgerschaftlich engagieren. Wo ein Meister ist, ist auch ein Schüler – dazu bedarf es keiner Organisation.
Ein solches Grundeinkommen spricht den Einzelnen Vertrauen aus, wir – die Bürger – sprächen es jedem aus. Interessierte Schüler, Auszubildende und Studenten würden die heutige und erst recht die auf uns zukommende Wirklichkeit der Bildungseinrichtungen fliehen, Einrichtungen, die Bildung verhindern. Statt die Entstehung von Neuem zu fördern und zu initiieren, ist Wissensverwaltung ihr neuer Zweck.
Weshalb abwegig, wenn es auch einfach geht: das bedingungslose Grundeinkommen weist den Weg. Wir müssen ihn nur gehen.
Sascha Liebermann