Wir erhalten immer wieder einmal Anfragen zu Aspekten der Grundeinkommensdiskussion, die offenbar für Verwirrung sorgen oder zumindest missverständlich sind. Jüngst ging es dabei um die genaue Bedeutung des Adjektivs „bedingungslos“. Angesichts seiner Unterbestimmtheit beißen sich manche Kritiker gerade daran fest, um gegen das BGE zu wettern, statt wohlwollend an einer Klärung mitzuwirken.
Das Attribut bedingungslos ist nicht frei von Missverständlichkeiten, denn es ist unterbestimmt. Sowohl in der deutschen als auch in der internationalen Diskussion werden deswegen noch andere Attribute gebraucht, wie z. B. „universal“, garantiert, allgemein. Sie sind jedoch nicht weniger missverständlich, denn sie könnten gleichermaßen zur Beschreibung von Hartz IV verwendet werden, auf das immerhin ein Rechtsanspruch besteht. Vereindeutigen lässt sich diese Unklarheit des Adjektivs „bedingungslos“ nur, wenn man sich vor Augen führt, worum es beim BGE geht und weshalb in der deutschen Diskussion das Attribut „bedingungslos“ eine so große Rolle spielt. Der ganze Vorschlag eines BGE richtet sich zuallererst gegen die Bedürftigkeitsprüfung bzw. die Regelung, Ansprüche durch Erwerbsarbeit erworben haben zu müssen, damit eine Einkommenssicherung (ALG I und Rente) gewährt wird. Diese Bedeutung der Bedingungslosigkeit ist ziemlich klar und findet sich ebenso beim Basic Income Earth Network, ohne dass dort von Bedingungslosigkeit die Rede ist.
Wird Bedürftigkeit bzw. Anspruchserwerb durch Beiträge als Kriterium für die basale Existenzsicherung hingegen aufgegeben, dann hat das Folgen für die bedürftigkeitsgeprüften Leistungen, die oberhalb eines BGE in Zukunft weiterhin bestehen sollen. Denn im Zentrum steht nun nicht mehr die Bedürftigkeit auf Grund des Ausfalls von Erwerbseinkommen bzw. von Erwerbsunfähigkeit, sondern die Bedürftigkeit aufgrund besonderer Lebenslagen, ohne dass Erwerbstätigkeit normativ Vorrang genösse. Erwerbstätigkeit als normatives Ziel stünde nicht mehr im Zentrum des Sozialstaats, sondern das Individuum. Damit änderte sich fast alles.
Dass die Bedingungslosigkeit selbst Bedingungen kennt (siehe meine Ausführungen hier), ist selbstverständlich. Es sind dies aber nicht Gegenleistungsbedingungen wie in den heutigen Systemen sozialer Sicherung, sondern Bereitstellungsbedingungen, die erfüllt sein müssen, damit es ein BGE geben kann. Das fängt schon damit an, dass ein Gemeinwesen die Bereitstellung durchsetzt und absichert. Dann muss es verteilbare Überschüsse geben, also ein bestimmter Wohlstand ist erforderlich. Wir können noch andere Bedingungen nennen, die in der Sache selbst liegen. Ein BGE wird, das ist als solches interessant, nur in den Staaten bzw. Kulturen auf Resonanz stoßen, die einen starken Begriff von Individualität und Gemeinschaft zugleich haben. Das erklärt, weshalb es bislang vor allem in westlichen Demokratien debattiert wird. Selbstbestimmung muss also schon zu den selbstverständlichen Werten gehören, damit ein BGE überhaupt für relevant erachtet wird. Weiterhin muss es eine Bezugsbedingung geben, die mit Zugehörigkeit zum Gemeinwesen bzw. dem Lebensmittelpunkt verbunden ist. Heute wird das über Staatsangehörigkeit und Aufenthaltsstatus geregelt. Erstere ist unerlässlich, weil es einen Souverän, der über sich selbst bestimmt, nur geben kann, wenn zwischen Angehörigen und Nicht-Angehörigen eines Gemeinwesens unterschieden wird. Staatsangehörige müssen das Gemeinwesen tragen, Entscheidungen verantworten und zur Aufrechterhaltung der politischen Ordnung beitragen. Nicht-Angehörige müssen all dies nur akzeptieren.
Dass zur Bereitstellung eines BGE Steuern notwendig sind, ist selbstverständlich, denn ohne Steuern können hoheitliche Aufgaben nicht erfüllt werden. Wenn nun in der Diskussion hier und dort behauptet wird, bedingungslos sei ein BGE nur, wenn es die Steuerlast nicht verändere insgesamt, dann ist das eine eigenwillige Ausdeutung der Bedingungslosigkeit. Sie ist ebenso eigenwillig wie die Haltung mancher Befürworter, ein „echtes“ BGE davon abhängig zu machen, ob es mit Mindestlohn, Arbeitszeitverkürzung oder anderen Regelungen einhergeht.
Sascha Liebermann