Fallstricke und Eigenheiten standardisierter Befragungen

Der Volksverpetzer hat vor zwei Jahren schon einen informativen Beitrag zu den Fallstricken und Eigenheiten standardisierter Befragungen veröffentlicht, der für Interessierte gut lesbar ist. Darin wird auf die Schwierigkeiten eingegangen, repräsentative Daten zu gewinnen, auf die Fehlertoleranz der Messungen und anderes mehr.

Nicht erwähnt – und das ist grundlegend – wird hingegen die problematische Datenqualität aufgrund der Eigenheiten standardisierter Befragungen, in denen die ihr Handeln deutenden Subjekte in Messvariablen zerlegt werden und in der Messung als Individuen nicht mehr in Erscheinung treten, so dass die Zusammenhänge der gemessenen Variablen nicht rekonstruierbar ist. Um das Handeln zu verstehen, müssen aber die Deutungswelten der Einzelnen in ihrem inneren Zusammenhang bestimmt werden, das geht am besten und genauesten auf der Basis nicht-standardisierter Datentypen (Transkripte von Forschungsgesprächen – Interviews oder andere von der Praxis hervorgebrachte Daten) und einer detaillierten Auswertung, wie sie in manchen Verfahren der sogenannten qualitativen Sozialforschung durchgeführt wird. Die in der Datenform liegende Beschränkung der Datenqualität solcher Befragungen reicht also viel weiter und ist grundlegender als die im oben verlinkten Beitrag erwähnten Eigenheiten.

Siehe zu diesen Fragen auch unseren früheren Kommentare hier und hier.

Sascha Liebermann

Standardisierte Befragungen und Datenqualität

Siehe zu diesen Fragen auch unseren früheren Kommentare hier und hier.

Sascha Liebermann

Standardisierte Befragungen vs. Forschungsgespräche

Auf diese Differenz weist der Beitrag hier hin, der auf ein Gespräch zwischen Hartmut Rosa und Steffen Mau in der Süddeutschen Zeitung zurückgeht. So treffend der Hinweis ist, dass es einen erheblichen Unterschied macht, ob man Antwortskalen bzw. vordefinierte Antworten Gesprächspartner vorlegt und aus deren Angaben dann Schlüsse zieht oder deren Ausführungen in ihrer konkreten Gestalt untersucht, wie es in ausführlichen Forschungsgesprächen möglich ist, so wenig erschöpft sich letzteres in „ja, aber“-Konstruktionen. Forschungsgespräche geben einen viel detaillierteren Einblick nicht nur in die Denkwelt einer Person, sondern auch in ihre Haltung zur Welt, die sich in den Äußerungen manifestiert. In der öffentlichen Diskussion spielen solche Daten leider eine viel zu geringe Rolle, in der sozialwissenschaftlichen Forschung sind sie zwar etabliert, machen aber auch den kleineren Teil der Forschung aus.

Sascha Liebermann

Hat das womöglich etwas mit Erhebungs- und Auswertungsmethode zu tun?

Wer mit nicht-standardisierten Daten wie Forschungsgesprächen arbeitet, kann bei sorgsamer fallrekonstruktiver/ interpretativer Auswertung nie auf den Gedanken kommen, dass es anders sein könnte. Ein solcher Befund mag also diejenigen erstaunen, die mit standardisierten Daten arbeiten, andere hingegen nicht.

Ob diese Studie detailliert ausgewertet hat, diese Einschätzung sei dem geneigten Leser überlassen, sie ist hier frei zugänglich.

Sascha Liebermann