Wer fördert wen? Stiftungen, private Wohltätigkeit und Förderzwecke…

… diese Frage näher zu betrachten, wenn es um das Verhältnis von Förderern (wie z. B. Stifungen) und Geförderten geht, scheint wenig interessant, liegt doch auf der flachen Hand, worum es geht. Auf der einen Seite stehen diejenigen, die über soviel Vermögen verfügen, welches sie nicht für sich selbst benötigen und deswegen für andere einsetzen oder sogar stiften. Auf der anderen Seite stehen diejenigen, denen es genau an solchem Vermögen oder gar Einkommen mangelt, um Ideen und Ziele zu verfolgen, die sie für wirklich wichtig erachten – sehr häufig betrifft dies künsterlerische Vorhaben, aber auch Forschung und Bürgerinitiativen. Für letztere ist es die Herausforderung, auf der Seite der Förderbereiten jemanden zu finden, der sich mit ihrem Vorhaben verbinden will, es als förderwürdig erachtet. Manche Projekte werden dadurch erst möglich, anderen wird die Aussicht auf eine kontinuierliche Weiterführung eröffnet. Private Förderung kann kurze Wege gehen, kann umkompliziert erfolgen, gerade weil sie sich nicht an Verfahren wie in öffentlichen Ausschreibungen zu halten hat. Dem korrespondiert allerdings die Willkür, mit der Förderversprechen erfolgen, die außerordentliche Abhängigkeit vom guten Willen der Förderer, die genauso plötzlich, wie sie erschienen sind, wieder verschwinden können. Der Geförderte hat keinen Anspruch auf die Förderung, er kann nichts einklagen (anders als bei sozialstaatlichen Alimentierungen), es gibt keinen Rechtsweg – zumindest nicht für außervertragliche Angelegenheiten. Manchen wird dieses Phänomen vertraut sein, vielleicht haben sie selbst schon Erfahrungen damit gesammelt.

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„Bezahlung ist nicht alles“…

…so ist ein Interview in der Badischen Zeitung mit Michael Bohmeyer übertitelt. Zwei Passagen seien hier kommentiert, weil sie bemerkenswert sind.

In der ersten heißt es:

„BZ: Innerhalb weniger Monate haben mehr als 17 500 Leute gespendet. Warum geht Ihre Aktion so durch die Decke?

Bohmeyer: Jeder, der sich anmeldet, kann mitmachen. Man muss also nicht spenden, um an der Verlosung teilzunehmen. Und ich spreche nicht nur die klassische Grundeinkommenscommunity an: Unser Durchschnitts-User ist 29 Jahre alt…“

Wer ist die „klassische Grundeinkommenscommunity?“ Die Diskussion ist seit ihrem erneuten Beginn in 2004 sehr heterogen, sowohl was die verschiedensten Milieus als auch die Altersgruppen betrifft. Darüber mag die mediale Berichterstattung hinwegtäuschen, die sich auf wenige Aktive beschränkt oder dazu tendiert, die Idee bestimmten Parteilagern oder Personen zuzuordnen. Wovon grenzt sich Bohmeyer ab?

„…Von der Community gab’s eher Kritik: Das sei kein echtes Grundeinkommen, nicht hoch genug, nicht für alle und zeitlich begrenzt. Meine Kampagne ist nicht explizit politisch, ich möchte nur, dass die Leute etwas ausprobieren können.“

Worin bestand diese Kritik denn? Bohmeyer hat zu Beginn seiner Aktion ausdrücklich gesagt (siehe hier), dass es sich nicht um ein echtes BGE handele und einige Kommentare auf der Website hielten das damals ebenso fest wie auch solche von außerhalb der „community“. Diese „Kritik“ hat ganz sachliche Gründe. Ein einjähriges, nach dem Zufallsprinzip vergebenes Stipendium, das eine Spendergruppe finanziert, ist etwas anderes, als eine dauerhafte Gewährung über die Lebensspanne durch ein Gemeinwesen. Bohmeyers Aktion ist nahe an einer Lotterie, in die viele einzahlen und wenige den Zuschlag erhalten. Folglich sind auch die Schlussfolgerungen, die aus den Erfahrungen mit einem einjährigen Stipendium gezogen werden können nicht mit denen gleichzusetzen, die aus einer dauerhaften Gewährung erwachsen (siehe hier).

Gegen Ende heißt es:

„Wir wollen erst einmal 100 Grundeinkommen finanzieren. Toll wäre, wenn irgendwann jeder in Deutschland jemand kennt, der jemand kennt, der schon einmal unser Grundeinkommen bekommen hat, und sagt: Mensch, das hat ja geklappt, dabei war der doch immer so ein fauler Hund. Wir nennen das Freie Radikale: Leute, die ein Jahr freigesetzt sind vom normalen System. Das hat so eine Kraft – die möchte ich entfalten. Ich glaube, dass Veränderung nur über Geschichten stattfinden kann.“

Diese Überlegung hat Charme, sie setzt auf Erfahrung statt auf Argumente. Es kann vermutlich nicht davon ausgegangen werden, dass eine breite Mehrheit vor allem über Argumente erreicht wird, weil nicht jeder sich so intensiv damit befasst, wie es dafür notwendig wäre. Allerdings ist die Macht des Arguments wiederum nicht zu unterschätzen, denn nur Argumente führen zu einer Klärung, die allgemeinen Charakter hat. Wer sich einmal intensiver mit dem BGE befasst hat, kennt die Folgen: es führt kein Schritt in die Zeit zurück, bevor man sich damit befasst hatte, man kann es allenfalls verleugnen.

Erfahrungen hingegen sind immer persönliche, sie bleiben mit der Person verbunden, die sie gemacht hat, sie werden nur für sie zur Evidenz. Das kann dazu führen, dass sie am Einzelfall hängen bleiben ganz im Sinne davon, dass ich jemanden kenne, der…, ohne von dort auf die Allgemeinheit zu schließen. Diese Allgemeinheit ist aber notwendig, um das BGE als Regel und nicht als Ausnahme zu verstehen. Ob die Aktion von Michael Bohmeyer zur Verbreitung des BGE führt oder in der Lotterielogik stecken bleibt, ist schwer zu sagen. Es hat sich um diese Aktion offenbar eine eigene Community gebildet. Was daraus werden kann, entscheidet sich daran, ob das BGE in die Welt hinausgetragen wird, über die mein-grundeinkommens-community hinaus.

Sascha Liebermann