„…verallgemeinerungsfähiges Wissen“ und Werturteil – zwei Paar Schuh…

…darauf weist Michael Sienhold zurecht hin, denn wissenschaftliche Auseinandersetzungen sollten anderen Regeln folgen als politische. In letzteren geht es um die Frage, ob etwas für richtig gehalten wird oder nicht, in ersteren hingegen, welche allgemeinen Schlussfolgerungen sich aus der Analyse von Datenmaterial ergeben bezüglich eines zu erklärenden Zusammenhangs.

Das soll keineswegs heißen, dass politische Entscheidungen vorliegendes Wissen über für sie relevante Zusammenhänge links liegen lassen können. Doch die Entscheidung, welche Möglichkeit angesichts eines zu lösenden Problems konkret ergriffen wird, folgt aus dem „verallgemeinerungsfähigen“ Wissen nicht, sie bedarf eines Werturteils. Wissenschaft ist nicht dasselbe wie Politikberatung, die Vorschläge macht oder Empfehlungen ausspricht.

Die hier entscheidende Frage ist also vergleichbar der historisch einst grundsätzlichen Frage danach, ob denn eine demokratisch legitimierte Herrschaft eingeführt werden soll oder nicht. Der einzige Unterschied ist, die Demokratie haben wir schon, das in ihr enthaltene Autonomiegebot ebenso (Würde des Menschen, alle Staatsgewalt geht vom Volke aus). Eines hingegen fehlt noch: eine diesen Grundfesten entsprechende Existenzsicherung, die vorbehaltlos, ohne jegliche sanktionierbare Verpflichtung bereitsteht. Bislang gilt lediglich, dass die Existenz gesichert sein soll, aber mit Auflagen.

Sascha Liebermann

Ist unvoreingenommene Forschung möglich, wenn man zugleich von etwas praktisch überzeugt ist?

Sinngemäß stellt der Schweizer TagesAnzeiger diese Frage Jens Martignoni am Ende eines Interviews über das Grundeinkommensprojekt in Rheinau (Schweiz). Da mir diese Frage schon öfter gestellt wurde, ist es ein willkommener Anlaß, dazu etwas aus Sicht der Forschung zu sagen.

Wer mit wissenschaftlichem Arbeiten vertraut ist und die Eigenheiten von Forschung kennt, wird die Frage des TagesAnzeigers für überraschend und banal halten. Methodisch disziplinierte Forschung auf der einen und Befürwortung eines praktischen Vorhabens aus Überzeugung auf der anderen Seite sind zwei Paar Schuhe. Für eine der Überprüfbarkeit (Falsifikation) verpflichtete, methodisch diszipliniert arbeitende Wissenschaft ist es entscheidend, auf der Basis verfügbarer Daten (ganz gleich welchen Typs) zu Schlussfolgerungen zu gelangen. Daten benötigt es, damit nachvollzogen und geprüft werden kann, wie zu Schlussfolgerungen gelangt wurde. Zugleich ist damit deutlich gemacht, dass methodisch disziplinierte Schlussfolgerungen sich immer nur auf Zusammenhänge in der Vergangenheit richten können, denn nur darüber können Daten Auskunft geben. Jeder Blick nach vorne, in die Zukunft, ist damit nicht mehr methodisch diszipliniert möglich, das lässt sich sehr gut an Schätzverfahren ablesen, die für Prognosen genutzt werden, um auf der Basis von gesetzten Annahmen (bestenfalls aus der Vergangenheit rekonstruiert), Aussagen über etwaige Veränderungsmöglichkeiten in der Zukunft zu treffen. Allerdings: Handlungsfolgen für die Zukunft zu bestimmen, ohne dass die Zukunft schon etwas hervorgebracht haben kann, das als Datum eine Erforschung erlaubt, ist keine strenge Wissenschaft mehr.

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