Unter dem Titel „Elterngeld abschaffen“ legt Heike Göbel in der FAZ dar, weshalb es gekürzt oder gar ganz eingespart werden sollte. Unter anderem schreibt sie:
„Notwendig wäre es, über eine Abschaffung, zumindest aber Kürzung und starke Konzentration dieser Sozialleistung nachzudenken: Denn das Elterngeld schützt in erster Linie Mittelschichtfamilien vor Verdienstverlust und sichert Vätern als Mitnahmeeffekt bezahlten Kinderurlaub. Es begünstigt damit eine Klientel, die den Staat nicht wirklich braucht.“
Zwar trifft die Diagnose zu, dass vor allem Mittelschichtsfamilien profitieren, da das Elterngeld bis zur Höhe von 1800 Euro relativ zum Einkommen gewährt wird. Noch schwerer wiegt aber, dass Eltern, die vor Bezug des Elterngeldes nicht erwerbstätig waren, nur den Basisbetrag von 300 Euro erhalten. Damit werden zwei Klassen von Eltern geschaffen und Elternschaft abgewertet. Ziel des Elterngeldes ist es, die Erwerbstätigkeit zu belohnen.
Doch Göbel zündet Nebelkerzen. Selbst die maximale Höhe des Elterngeldes von 1800 Euro erlaubt es einer Familie nicht, Großartiges zu unternehmen. In Regionen mit sehr niedrigen Mieten reicht es als einziges Einkommen bestenfalls gerade aus, um über die Runden zu kommen. Wo Mieten höher sind, ist das nicht möglich. Auch heute können nur beide Eltern zuhause bleiben, wenn sie das Elterngeldeinkommen durch Erspartes aufstocken. Wer ist dazu in der Lage? Nur, wer zuvor hat sparen können. Auch hier werden also Besserverdiener bevorteilt. Der Mitnahmeeffekt dieser „Klientel“, wie Göbel sie nennt, ist äußerst wünschenswert, wenn man in Kategorien von Bürger, Verantwortung und Gemeinwesen denkt. Dann wäre die Forderung konsequent, gleiches Elterngeld für alle zu fordern. So republikanisch liberal nun aber sind die Liberalen nicht, auch nicht in der FAZ.
Statt einer Abschaffung des Elterngeldes, wie sie Heike Göbel ganz im Geiste der Bedürftigkeitsdenke fordert, sollte es allen Eltern möglich sein, zuhause zu bleiben, um sich um ihre Kinder kümmern zu können. Das Elterngeld weist hierzu den Weg, wenn auch auf alten Bahnen. Eine wirkliche Neuerung wäre nur möglich, wenn alle das gleiche erhielten, ganz gleich, ob sie es „brauchen“ und ohne es einer zuvor erbrachten Erwerbsleistung zu bemessen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde genau das erreichen und zugleich die Bedürftigkeitsdenke aufgeben.
Erstaunen kann in der Debatte auch, dass sich selbst kritische scheltende Webseiten wie die Nachdenkseiten auf einen solchen Beitag in der FAZ kommentarlos verweisen, wo sonst mit Kommentaren nicht gespart wird. Aber das lässt nur erkennen, wie sehr auch die Kritik heute noch immer in der Denkhaltung festgesteckt, soziale Gerechtigkeit mit Bedürftigkeit in einen Zusammenhang zu stellen. Dass es gerade diese Haltung ist, die ein Fortkommen in der Debatte verhindert uns geradezu blockiert, darauf sind die Kritiker noch nicht gekommen.
Sascha Liebermann