„Auch wenn Väter nur zwei Monate Babypause machen, fließt schon das volle Elterngeld“…

…das hält Charlotte Parnack auf Zeit Online (Bezahlschranke) für nicht mehr zeitgemäß und schlägt vor, die Auszahlung des vollen Betrages an eine gleichmäßige Aufteilung zwischen Mutter und Vater zu binden. Das wäre ein Fortschritt in Sachen Gleichstellung, so Parnack, denn Mütter, so wird mit dem Verweis auf die Gehaltsentwicklung von Frauen und Männern ab 30 festgestellt, gerieten sonst ins Hintertreffen. Ihre Argumentation für eine andere Regelung bezieht sich nur auf die vermeintlichen Folgen der Elterngeldkonstruktion für die Gehaltsentwicklung. Um mehr Zeit für Familie für beide Elternteile über das Elterngeld hinaus geht es nicht. Es geht also auch gar nicht um das, was eine Familienförderung bzw. -unterstützung eigentlich leisten sollte, den Eltern Zeit zu verschaffen, statt sie für Erwerbsteilnahme zu belohnen. Parnack schreibt damit die Eigenheit des Elterngeldes fort, eine Prämie für Besserverdiener zu sein, was sich daran zeigt, dass die meisten Bezieher unter 1000 Euro liegen (siehe auch monatliche Elterngeldzahlbeträge). Das allerdings ist ihr keine weitere Ausführung wert, obwohl darin die entscheidende Veränderung gegenüber dem Erziehungsgeld besteht. Abschließend schreibt sie in ihrem Beitrag:

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„Alltagshelfer“-Vorschlag erinnert an „Elterngeld“ – den Vorteil haben Besserverdiener,…

…nicht aber Haushalte mit niedrigen Einkommen, für die der Eigenanteil von 60% immer noch zu hoch ist. Dienen soll das ganze unter anderem dazu, „Massenarbeitslosigkeit“ vorzubeugen (siehe hier und hier). Abgesehen davon ist der Blick auf Haushalt und Sorge interessant, der sich hiermit auftut, denn Heils Vorschlag führt zu einer Vererwerbstätigung von Sorgetätigkeiten, die zugleich Gemeinschaftserfahrung ermöglichen. Sorgetätigkeiten werden als wegzuorganisierender Aufwand betrachtet, der an andere übertragen werden könne. Keine Beachtung findet – so zumindest in den Äußerungen, die ich auffinden konnte -, dass Sorgetätigkeiten Gemeinschaftserfahrungen sind, Hinwendung zum Anderen als ganzer Person bedeuten, für den man da ist und zu dem man in einer konkreten Beziehung steht, deren Grenze nicht ein Vertragsverhältnis ist. „Alltagshelfer“ verschaffen nicht mehr „Zeitsouveränität“, sie fügen sich nur zugunsten von Erwerbstätigkeit in das Spannungsverhältnis von Familie und Beruf ein, statt es zugunsten von Familie zu verändern.

Siehe zum Elterngeld frühere Beiträge hier, hier und hier, zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf hier,  hier und hier.

Sascha Liebermann

In der Tat…

…die Frage ist berechtigt, die Sorge mancher, was denn wohl ein BGE alles mit sich bringen könnte, lässt allerdings tief blicken. Dem Betreuungsgeld wurden solche Folgen auch schon angesonnen, obwohl weder es noch das Elterngeld noch ein BGE einen Elternteil bevorzugt. Das Elterngeld allerdings ist faktisch eine Belohnung erwerbstätiger Eltern, besonders besserverdienender und lässt andere im Regen stehen.

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„Geteilte Erziehungsarbeit“ – eine Nebensache?…

…Dafür scheint sie zumindest Dieter Schnaas zu halten, wenn man diesen Tweet liest, der auf seinen Beitrag in der Wirtschaftswoche zurückgeht. Er schreibt darin über die „Sechs Sackgassen der SPD“ und hält die Frage, wie Eltern sich der Aufgabe Elternschaft stellen können, offenbar für nachrangig. Das ist zwar ganz im Einklang mit der sozialpolitischen Degradierung von Familie zum Anhängsel des Arbeitsmarktes, damit auch mit einer von der SPD bislang befürworteten Politik. Der Sache selbst aber ist es nicht angemessen. Wenn man Familien unterstützen will, dann ist zu beachten, dass in ihnen – folgt man  Zeitverwendungsstudien (siehe auch „unbezahlte Arbeit“) – viel mehr Zeit aufgewandt als in Erwerbstätigkeit. Das ist auch nicht überraschend, wird dort geleistet, was anderswo nicht geleistet werden kann in derselben Weise. Woher die Geringschätzung, die Schnaas hier erkennen lässt? Angesichts der Ergebnisse der vergangenen Jahrzehnte spricht vieles dafür, Familien direkt stärker zu unterstützen, damit sie ihre Verantwortung wahrnehmen können, statt diese Verantwortung formal zwar aufrechtzuerhalten, ihr aber immer weniger Raum zu Entfaltung zu lassen, wenn Erwerbstätigkeit als das Non plus ultra gilt. Über die Folgen eines Elterngeldes, wie wir es heute kennen, das Eltern in zwei Klassen unterscheidet und als Lohnersatzleistung Besserverdiener relativ stärker unterstützt, äußert sich Schnaas nicht.

Sascha Liebermann

„Bedingungslose Grundsicherung“, ja; „Bedingungsloses Grundeinkommen“, nein – Widersprüchliches von Anna Mayr

…findet sich in einem Interview, das Benjamin Fuchs für Perspective Daily mit ihr führte. Zum ersten Mal liegen meines Wissens etwas ausführlichere Aussagen Anna Mayrs zum BGE vor. Doch wie steht es mit ihrer Kritik am Bedingungslosen Grundeinkommen, worin besteht sie? Ich kommentiere sie hier, da Frau Mayr viele interessante Schilderungen über den Blick auf und den Umgang mit Menschen schildert (so auch zur abschätzigen Bemerkung von Richard David Precht), die in Armut leben, von dort aus läge es nahe, sich zu fragen, wie deren Lage verbessert werden könnte. So verstehen sich auch ihre Vorschläge am Ende des Interviews, wie eine „bedingungslose Grundsicherung“ aussehen könnte, die irgendwie ganz nah an einem BGE ist, das sie aber gerade nicht haben will. Wo ist der Haken?

„[Fuchs]Was mich überrascht hat: Du findest das bedingungslose Grundeinkommen überhaupt nicht gut. Es gibt nicht viele, die sich offen und klar gegen das BGE aussprechen. Warum findest du, dass es keine gute Lösung ist?“

Dass es nicht viele gebe, die sich offen gegen ein BGE aussprechen, ist ein Gerücht, der Interviewer scheint das Thema gerade für sich entdeckt zu haben. Aber, darum soll es hier ja nicht gehen.

„Anna Mayr: Weil ich Arbeitnehmerrechte liebe. Ich finde Arbeitnehmerrechte richtig geil. Mir geht das Herz auf, wenn ich über Arbeitnehmerrechte nachdenke. Und das bedingungslose Grundeinkommen ist genau das Gegenteil, das ist die absolute Individualisierung von allem. Hier sind deine 1.200 Euro und jetzt Ruhe. Es ist auch eine Individualisierung von Risiken. Also alles, was zum Beispiel mit Elternzeit oder Krankheit zusammenhängt: Es wird alles am Ende darauf zurückgeführt, dass es ja ein bedingungsloses Grundeinkommen gibt. Die Probleme, die es schafft, sind noch gar nicht absehbar. Nebenbei führt es dazu, dass die Debatte um Gerechtigkeit komplett stillgelegt wird, weil die gesamte politische Linke sich so einen Stern am Horizont gesucht hat, auf den sie jetzt zustrebt. Aber wir haben die Raketen überhaupt nicht, die uns dahin bringen. Unter jedem Tweet über Gerechtigkeit finden sich immer 2, 3 Leute, die schreiben »BGE! BGE!« und ich denke dann: Das ist eure einzige politische Position? So funktioniert Politik halt nicht.“

Hier kommt die erste Überraschung – oder vielleicht doch nicht -, denn dieser Einwand ist unter dem Schlagwort der Stilllegungsprämie hinlänglich bekannt. Zuerst einmal stehen „Arbeitnehmerrechte“ und BGE überhaupt nicht gegeneinander, das ist ein Popanz. Allerdings schützen Arbeitnehmerrechte zuerst einmal Arbeitnehmer und nicht die Bürger als Bürger. Schon gar nicht ist ein BGE „das Gegenteil“ von Arbeitnehmerrechten. Frau Mayr kann, wie andere auch, die Sorge haben, dass sich die Bürger damit abspeisen lassen, doch läge das nicht am BGE, sondern an einem Untertanenverhältnis zur Demokratie, einem Selbstmissverständnis der Bürger, die ihre Interessen nicht wahrnähmen. Sonst präsentiert sie hier weitgehend Halbgares.

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„Wir brauchen einen ganz anderen Blick“ – aber wie gelangen wir dahin?

Auf diese Frage gibt das Interview mit Katrin Menke bei Spiegel Online keine Antwort. Sie kritisiert eine Verengung eines bestimmten „Feminismus“ auf die Gleichsetzung von Leistung und Erwerbstätigkeit – die  „Sorgearbeit“ falle unter den Tisch. Das Elterngeld verstärke die Ungleichheit, was sie für den „Krankenhaussektor“ untersuchte. Doch, wie wäre denn die Missachtung von Sorgearbeit aufzuheben, wie den Eigenheiten anderer Lebensbereiche gerecht zu werden? Darüber erfährt man nichts. Dass im Titel ihrer Dissertation der Begriff „Wahlfreiheit“ auftaucht, scheint nicht mit einer Kritik an ihm verbunden zu sein, zumindest lässt das Interview nur erkennen, dass diese „Wahlfreiheit“ ungleich verteilt ist zwischen Frauen und Männern. Eine gleichere Verteilung führt jedoch gar nicht zur Aufwertung von Sorgearbeit, solange der Vorrang von Erwerbstätigkeit bestehen bleibt.

Unsere Beiträge zum Elterngeld finden Sie hier, zu „Wahlfreiheit“ hier.

Sascha Liebermann

„Studie zur Familienpolitik: So plump rechnet Unicef“…

…darüber schreibt Christoph Schäfer auf faz.net (Frankfurter Allgemeine Zeitung). Er befasst sich mit einer vielzitierten Studie, deren Ergebnisse jüngst in den Medien kursierten, ohne dass die Studie selbst zugänglich wäre. Schäfer spießt die Kriterien auf, nach denen eine Länderrangfolge in Familienfreundlichkeit erstellt wurde, weist auf fragwürdige Vergleiche hin und gibt an einer Stelle zu bedenken, dass Familienfreundlichkeit doch am ehesten dort herrsche, wo Eltern entscheiden können, wie sie mit der Aufgabe Elternschaft umgehen wollen. Doch, wo gibt es eine Familienpolitik, die nicht normativ lenken will? In Deutschland zumindest nicht, wenn man an das Elterngeld denkt und die immer weitere Ausdehnung von Betreuungszeiten in Kitas sowie der Absenkung des Zutrittsalters. All das segelt unter der Fahne der „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. Altersarmut von Frauen soll durch ausgiebigere Erwerbsteilnahme vorgebeugt werden. Wo bleibt da „Zeit für Familie“, die einst der Achte Familienbericht im Titel hatte, dann aber vorschlägt, die Ganztagsbetreuung flächendeckend auszubauen, also: keine Zeit für Familie.

Sascha Liebermann

„Wenn Kinder auf der Strecke bleiben“ – vereinbare Nicht-Vereinbarkeit von Familie und Beruf?

Zu einer solchen Schlussfolgerungen gelangt man angesichts des Beitrags von Julia Schaaf (siehe einen früheren Beitrag von ihr hier) in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (womöglich Bezahlschranke), der eindrucksvoll darlegt, wie sehr die Diskussion über eine vermeintliche „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ die Kinder vergisst und zugleich doch das ganze verteidigt. Schaaf stützt sich auf die Erfahrungen einer Erzieherin, die ihren Beruf gerne ausübt und über die letzten zwanzig Jahre gravierende Veränderungen in Kindergarten bzw. der Kita beobachtet wie die Ausweitung der Betreuungszeiten und Absenkung des Eintrittsalters der Kinder. An einer Stelle wird die Erzieherin mit dieser Äußerung zitiert:

„Irgendwann ist die Kita keine Ergänzung mehr zur Familie, sondern ein Ersatz“

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Recht auf Sabbatical, wer profitiert? Und weshalb ein solcher Vorschlag?

Laut Spiegel Online soll eine der Vorsitzenden der Partei Die Linke, Katja Kipping, einen Vorschlag erarbeitet haben, der das Recht auf zwei Sabbatjahre im Berufsleben vorsieht. Der Vorschlag erinnert in mancher Hinsicht an das Elterngeld oder an das Grundeinkommensjahr von Lars Klingbeil, SPD. Irritierend daran ist nicht die Forderung nach Auszeiten aus der Erwerbstätigkeit, sie überrascht nicht angesichts dessen, dass Katja Kipping sich schon lange für ein Bedingungsloses Grundeinkommen einsetzt. Überraschend ist, wie ähnlich die Konstruktion dem Elterngeld ist, mit einem Unterschied, der Mindestbetrag ist deutlich höher (1050 Euro) – allerdings nur für Erwerbstätige, denn andere können kaum ein Sabbatjahr in Anspruch nehmen. Nach oben wäre es gedeckelt (1800 Euro) wie das Elterngeld auch. Doch, weshalb eine Lohnersatzleistung einführen, von der vor allem Besserverdiener etwas haben, die sich ein Sabbatjahr leisten können, wenn sie auf Erspartes zurückgreifen können? Geringverdiener haben davon relativ weniger, zumal wenn es nur ein Sabbateinkommen gibt. Familien insbesondere mit geringem Einkommen benötigten stattdessen mehr Zeitsouveränität. Ein Sabbatjahr, das für Erwerbstätige gedacht ist, belohnt diese und bestraft diejenigen, die sich um Haushaltstätigkeiten kümmern. Vielleicht stellt sich manches anders dar, wenn das Papier einsehbar ist.

Sascha Liebermann

„Zwölf Jahre arbeiten, ein Jahr frei“ – ein erneuter Enterversuch mit einer Politik für Besserverdiener

Man mag sich die Augen reiben ob der Entwicklung in der SPD, wie nun innerhalb eines Jahres schon der zweite Vorschlag unterbreitet wurde, der das Schlagwort „Grundeinkommen“ aufgreift. Offenbar sind es die positiven Konnotationen des Wortes, die dazu Anlass geben. Gleichwohl ist etwas anderes drin in diesem Grundeinkommen als im Bedingungslosen Grundeinkommen, denn schießlich muss man es sich verdienen, wie Lars Klingbeil, Generalsekretär der SPD, in seinem Interview mit Zeit Online darlegt (siehe auch hier). Mittlerweile liegt ein detaillierteres Faltblatt vor. Damit rückt es in die Nähe eines „Chancenkontos“. Mit dem „Grundeinkommen“ wird hier Schindluder getrieben, um die eigenen Vorschläge rhetorisch attraktiver zu machen. Das spricht dafür, dass das Schlagwort mittlerweile durchaus positiv besetzt ist. An einer Stelle heißt es:

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