…so der Schweizer Schriftsteller Jonas Lüscher in einem Interview mit der Luzerner Zeitung. Es ist die einzige Passage, in der es um das BGE geht. Was hat er darüber hinaus gesagt?
Luzerner Zeitung: „Mal angenommen, wir hätten dank einem Modell wie dem bedingungslosen Grundeinkommen bald einen Haufen Menschen ohne existenzielle Probleme: Was werden die dann tun?“
Lüscher: „Wer heute viel vor dem Fernseher sitzt, wird vermutlich noch länger vor dem Fernseher sitzen. Es ist eine etwas romantische Vorstellung, das sich plötzlich alle dem Verfassen von Gedichten oder der Ölmalerei widmen werden. Die Schulausbildung, die wir geniessen, zielt nicht gerade darauf ab, einen darauf vorzubereiten, ein Leben selber zu gestalten. Man wird auf den Arbeitsmarkt vorbereitet, um dort Erfüllung zu finden. Wenn das mit dem bedingungslosen Grundeinkommen kein neoliberaler Albtraum werden soll, muss das mit einem kompletten Wandel unseres Ausbildungssystems einhergehen“.
Sicher gibt es romantisierend verklärende Vorstellungen davon, was ein Bedingungsloses Grundeinkommen alles leisten würde – Lüscher spitzt das entsprechend zu. Aber das ist doch nur die eine Seite der Debatte, nicht einmal die vorherrschende. Den Realismus des BGE sollte man nicht unterschätzen. Warum sitzt jemand viel vor dem Fernseher? Was hat es mit den Lebenserfahrungen unter bestimmten Lebensbedingungen zu tun? Was würde ein BGE daran ändern? Würde es nicht gerade die stigmatisierenden Effekte aufheben, die heutige Alimentierungssysteme auszeichnen, würde es also eher ermutigen als an den Rand drängen? Zumindest sollte die Frage doch gestellt werden, statt leichtfertig eine eindimensionale Diagnose abzuliefern. Die Diagnose dann direkt mit dem Schulsystem zu verknüpfen, ist ziemlich vereinfachend, die Eigensinnigkeit des Lebens jenseits des Bildungswesens wird dabei vergessen. Es ist doch das Leben, das auf das Leben vorbereitet, die Schule macht davon nur einen kleinen Teil aus, von daher bietet das heutige Leben schon allerhand Anknüpfungsmöglichkeiten für das BGE, der Arbeitsmarkt ist nur eine Facette der Gegenwart, wenn auch eine besonders herausgehobene.
Sascha Liebermann