…darum geht es in einem Interview von Gitta Düperthal mit Antonia Mertsching in junge Welt.
Hier ein Auszug:
„Was erwidern Sie denen, die meinen, damit sollen Menschen abgespeist und ruhiggestellt werden?
Es geht nicht darum, aus Kohlekumpeln Grundeinkommenempfänger zu machen. Wir stellen uns das Modellprojekt in etwa so vor: In drei Dörfern mit je 100 Einwohnern soll jeder von diesen drei Jahre lang 1.000 Euro monatlich erhalten. Das Ganze soll wissenschaftlich begleitet werden. Wir wollen wissen, ob die Menschen sich im Gesellschaftsleben ihres Ortes mehr engagieren, eine schlechte Lohnlage ausgleichen, wichtige Anschaffungen vornehmen – oder sich wirklich auf die faule Haut legen, wie manche vermuten.“
Und hier ein wichtiger Hinweis:
„Wer in diesem System zusätzliches Geld erhält, bekommt dies nach dem Gesetz doch wieder abgezogen?
Vermutlich werden in den meisten Fällen Hartz-IV-Bezieher mit einem Grundeinkommen von 1.000 Euro am Ende mehr haben als bislang. Selbst wenn sie es jeweils ersatzweise bekämen, hätten sie mehr Geld, ohne sich »nackig« machen zu müssen. Solche Fragen, die die Sozialleistungen der Bundesebene betreffen, müssen noch im Detail geklärt werden.“
Sich „nackig“ machen zu müssen verweist auf die normative Seite der heutigen Leistungen. Wer etwas haben will, muss sich erklären und durchleuchten lassen. Das ist ein entscheidender Unterscheid zu einem Grundeinkommen, das darauf verzichtet. Obwohl einfach zu erkennen, so scheint dieser Unterschied in der Debatte von manchen in seiner Tragweite nicht verstanden zu werden. Anlässlich eines Fachtags zum Grundeinkommen unterhielt ich mich mit einem Ökonomen über diese Rechtfertigungsverpflichtung im ALG II-Bezug, es ging dabei auch um Menschen, die diesem Druck nicht gewachsen sind. Daraufhin sagte er, dass in einem solchen Fall sie doch eine Therapie in Anspruch nehmen könnten. Woraufhin ich entgegnete, damit wäre durch die normative Konstruktion der Leistung entstehende Rechtfertigungsverpflichtung aber nicht aufgehoben, die Druck erzeuge.
Siehe dazu das Projekt BGE statt Braunkohle. Zum Stellenwert von Feldexperimenten, siehe hier.
Sascha Liebermann