…das kommt in Franz Schuhs Rezension des bei Suhrkamp erschienenen Bandes zum Bedingungslosen Grundeinkommen, der von Birger P. Priddat und Philip Kovce herausgegeben wurde, zum Ausdruck. Deutlich wird das in der abschließenden Passage:
„Werden die Bedürftigen jemals irgendetwas Bedingungsloses haben? Unwahrscheinlich, dass die Staaten- und die Wirtschaftslenker (deren Arbeit ihnen Freude macht) auf den eingebürgerten Sadismus verzichten, mit dem man die Massen der Erwerbsarbeiter – durch die Angst vor der Arbeitslosigkeit – so gut in Schach halten kann.“
Die Bedürftigen – und nicht nur sie – haben etwas bedingungslos, das ihnen womöglich nicht bewusst ist: ihre Stellung als Staatsbürger, als Volk, von dem alle Gewalt ausgeht. Darüber hinaus gibt es noch andere Erfahrungen der Bedingungslosigkeit, die ebenso wenig im öffentlichen Bewusstsein fest verankert zu sein scheinen.
Weshalb sollte also eine Veränderung von den „Staaten- und Wirtschaftslenkern“ abhängen? Würden die Bürger es anders haben wollen, ernsthaft und nicht nur am Buffet, dann würden sie sich entsprechend artikulieren. Schon Max Weber wusste, dass keine Herrschaft sich erhalten kann, die keine Gefolgschaft findet, die sich auf keinen Legitimitätsglauben der Beherrschten gründet. In der Demokratie beherrschen die Bürger als Volk sich selbst, sie sind nicht Opfer der Verhältnisse, nicht Unterworfene von Staaten- oder Wirtschaftslenkern. Die Diskussion um ein Bedingungsloses Grundeinkommen hat über die Jahre gerade in aller Deutlichkeit gezeigt, dass „Arbeit“ gar nicht als Zwang, sondern als Notwendigkeit, als Ausdruck von Solidarität usw. gedeutet wird. Freiheit und Selbstbestimmung gelten wenig, wenn sie sich auf mehr als nur auf Erwerbstätigkeit beziehen sollen. Schuhs Deutung entspricht der weit verbreiteten Selbstentmachtung. Wenn die oben es nicht wollen, dann wird sich auch nichts ändern.
Und die Angst vor der Arbeitslosigkeit? Nun, gerade sie ließe sich ja beseitigen, durch ein BGE, doch das muss auch gewollt sein, nicht von den „Staaten- und Wirtschaftslenkern“, von den Bürgern. Dagegen gäbe es kein Bollwerk.
Sascha Liebermann