…das wird nicht deutlich in einem Interview mit Jürgen Schupp (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung), das in der taz veröffentlicht wurde. Darin äußert sich Schupp zu den Folgen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu Sanktionen im Arbeitslosengeld II.
Gegen Ende heißt es:
„In Verbindung mit Ihrem Namen stößt man auf das Thema „bedingungsloses Grundeinkommen“. Ist das die Lösung?
Na ja, ich habe zumindest für Offenheit gegenüber solchen Reformmöglichkeiten plädiert. Das Nichtbefolgen von Eingliederungsvereinbarungen führt regelmäßig zu Sanktionen. Dafür ist unheimlich viel Bürokratie notwendig. Das Grundeinkommen könnte da durchaus einen Ausweg darstellen. Aber ich würde den heutigen Urteilsspruch auch als Bekenntnis der Gewährung eines Grundeinkommens interpretieren. Selbst wer sich dem Erwerbssystem völlig verweigert, behält dennoch seinen Anspruch auf eine bedarfsgeprüfte Grundsicherung; allerdings 30 Prozent weniger als das derzeitige Existenzminimum.“
Die Stoßrichtung seiner Ausführungen ist nachvollziehbar und trifft einen wichtigen Punkt. Ein Existenzminimum, das tatsächlich nicht entzogen werden könnte, markierte eine Untergrenze. Doch ein entscheidender Unterschied fällt unter den Tisch: wer sich vor wem zu rechtfertigen hat, der Leistungsbezieher vor der die Leistung bewilligenden Behörde, die den Gesetzgeber und damit die Rechtsgemeinschaft der Bürger vertritt. Damit ist die Gewährung des Existenzminimums zwar vom Gesetzgeber gewollt, zugleich aber mit dem Emblem versehen, nicht der gewünschte Normalfall zu sein, denn die Leistung stellt einen Notfall dar. Auf diese Weise wird normativ herausgehoben, welches Handeln wünschenswert ist und welches nicht. Davon wirklich wegzukommen erlaubt auch eine sanktionslose Gewährung des Existenzminimums nicht, die den Zielen des heutigen Sozialstaats – Rückführung in den ersten Arbeitsmarkt – auch widersprechen würde. In Randnummer 209 des Urteils wird die Möglichkeit einer Vollsanktion immer noch zugestanden (siehe hier).
Sascha Liebermann