Ist das bedingungslose #Grundeinkommen eine tragfähige sozialpolitische Option? Bei Bildung und Gesundheit leisten viele Staaten aus gutem Grund eine kostenlose Grundversorgung – warum nicht auch beim Einkommen? – @thaichiwarrior, @unito https://t.co/FPhRXcTnkw
— IZA World of Labor (@IZAWorldofLabor) August 19, 2021
Zum vollständigen Artikel auf Englisch geht es hier. Die benannten Kontras neben den Pros zum BGE sind folgende:
„Die Umsetzung eines bedingungslosen Grundeinkommens dürfte Steuererhöhungen oder Einsparungen bei anderen öffentlichen Leistungen erfordern.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen könnte Arbeitsmoral, Motivation und Autonomie untergraben.
Das Einkommen würde auch denen zuteil, die es nicht „verdient“ haben.“
Fragen, die sich zu den Kontras ergeben und vielleicht im vollständigen Artikel beantwortet werden:
1) Weshalb ist das erste Kontra ein Kontra? Was ist genau gemeint? Wenn bestehende existenzsichernde Leistungen in der Höhe eines BGE ersetzt werden, können diese Leistungen wegfallen, die der Betragshöhe entsprechen. Steuererhöhungen sind immer eine Frage der Willensbildung. Wo kein Wille ist, ist also auch kein Weg. Das Kriterium ist ein politisches, kein wissenschaftliches.
2) Mikrosimulationen zur Entwicklung des (Erwerbs-)Arbeitsangebots basieren auf spezifischen Annahmen, die sich häufig aus dem Armutsfallentheorem ergeben. Genau dieses aber steht in seiner empirischen Triftigkeit schon lange in Frage. Das wird an dem einen Pro-Punkt erkennbar, der auch eine Zunahme des Arbeitsangebots nach Einführung eines BGE denkbar werden lässt. Außerdem hängen Arbeitsangebot und Wertschöpfungsentwicklung nicht unmittelbar zusammen, das relativiert die Bedeutung des Arbeitsangebots wiederum.
3) Weshalb könnte ein BGE die „Arbeitsmoral, Motivation und Autonomie“ untergraben? Auch hier spielen Annahmen darüber eine entscheidende Rolle, wie sich diese Haltungen herausbilden. Wer in Anreiz-Modellen dies zu ergründen versucht, kann Colombinos Erwägung sofort nachvollziehen. Wer aber Leistungsbereitschaft und überhaupt die Bereitschaft, sich ins Gemeinwesen einzubringen als Resultat eines hoch scheiterungsfähigen Bildungsprozesses im Zuge der Sozialisation versteht, wird sich über diese Erwägung eher wundern. Da ich mich hierzu schon öfter ausführlicher geäußert habe, siehe hier und hier.
4) Hier greift wiederum eine Gerechtigkeitsvorstellung, die zumindest an den modernen Demokratien vorbeigeht, sind sie doch durch ihr Selbstverständnis dazu verpflichtet, die Autonomie und Selbstbestimmungsfähigkeit ihrer Bürger auch durch Leistungen zur Existenzsicherung zu garantieren. Tun sie das nicht, sägen sie an dem Ast, auf dem sie sitzen. Dass tatsächlich diese Leistungen als Verpflichtung erst verstanden werden müssen, ist ein andauernder Prozess und auch in Deutschland noch nicht so alt.
Sascha Liebermann