Was Markus Lanz nicht interessierte, für die Diskussion jedoch wichtig ist, …

…das ist nun in der taz zu lesen, der Cansin Köktürk ein Interview gegeben hat. Hier ein Auszug:

„[taz] Welche anderen Maßnahmen würden Ihren Klient:innen Verbesserungen bringen?

[Köktürk] Die Sanktionen, die mit dem Bezug von Hartz IV einhergehen, müssen verschwinden. Deren Androhung ist so belastend für die Menschen, dass die Stressfolgeerkrankungen und der psychische Druck immens sind. Ich hatte eine Klientin, die starke Depressionen hatte und suizidgefährdet war. Sie war in einer Klinik, kam wieder und das Jobcenter hatte ihr nichts überwiesen, weil sie zwei Tage vergessen hatte, ihre Kontoauszüge nachzureichen. Nur mit der Hilfe einer Sozialarbeiterin kommt sie dann an ihr Geld, weil die Behörden sie nicht ernst nehmen, wenn sie sagt, ihr ging es nicht gut. Es würde die Menschen enorm entlasten, wenn sie wüssten, sie bekommen ihr Geld, egal, was passiert.“

Denjenigen, die direkt mit den Folgen der Sanktionsmaßnahmen konfrontiert sind, sollte zugehört werden. Sozialarbeiter sind nah dran an denjenigen, auf die das System mit all seiner Wucht einwirkt (siehe hier und hier), auch wenn sich in dieser Berufsgruppe ähnlich paternalistische Haltungen finden lassen wie anderswo.

All die wohlmeinenden, in den Helfer- und Kümmerermantel gepackten Absichten sozialpolitischer Art, „Bedürftige“ unterstützen zu wollen, müssen nicht nur das Das, sondern sie müssen ebenso das Wie thematisieren. Was Frau Köktürk sagt, ist aus Sicht der sozialwissenschaftlichen Professionalisierungsforschung gar nicht neu, die strukturelle Wirkung von Sanktionen, die Stigmatisierung, die mit den Bezugsbedingungen einhergeht, all das ist bekannt. Das Erwerbsgebot spielt hier eine entscheidende Rolle, denn erst es führt zu den Bezugsbedingungen von Leistungen und deren Verknüpfung mit Zielen wie der Rückführung in den Arbeitsmarkt. Hier geht es zuallererst um die Frage, wie Hilfe geleistet werden kann, die nicht die Integrität des Gegenübers missachtet. Ein Bedingungsloses Grundeinkommen ist hierfür ein wichtiger Schritt, Professionalisierung eine andere Frage (siehe z.B. hier und hier)

Meinen Kommentar zur Lanz-Sendung finden Sie hier.

Zu Frage, wie ein BGE sich für die Sozialarbeit und Sozialpsychiatrie auswirken kann, siehe von mir auch „Souveränität gewinnen“, „Bittsteller oder Bürger“, „Bedingungsloses Grundeinkommen: Entlastung, Herausforderung, Zumutung“, „Kinder- und Jugendhilfe – und das BGE“

Ute Fischer: „Eingliederung in was?“

Sascha Liebermann