Die Frage stellt sich anlässlich eines Beitrags von Dennis Pachernegg auf Medium. Er deutet das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Sanktionen im Arbeitslosengeld II als faktische Absegnung eines Bedingungslosen Grundeinkommens. Dabei ist ihm offenbar die Widersprüchlichkeit des Urteils nicht aufgefallen, die von einigen Kommentatoren herausgehoben wurde. Wie es auf der einen Seite den Gesetzgeber in Schranken weist und Sanktionen für nicht verfassungsgemäß erklärt, erlaubt es auf der anderen aber auch Totalsanktionen. Der Gesetzgeber muss zwar keine Sanktionen einsetzen – sie folgen also nicht aus dem Grundgesetz -, darf es aber. Insofern ist das Urteil auf der einen Seite ein Fortschritt und zugleich eben doch nicht.
Was der Autor vollständig übersieht, ist die normative Dimension der Gesetzgebung. Bei aller Verurteilung der Gesetzgebung und der Sanktionspraxis durch das Bundesverfassungsgericht wird am normativen Vorrang von Erwerbstätigkeit nicht gerüttelt. Genau dieser aber ist entscheidend dafür, in welche Position ein Leistungsbezieher von Arbeitslosengeld rückt. Er muss sich gegenüber der Behörde erklären, die Rechtfertigungslast liegt bei ihm, nicht andersherum. Selbst wenn also Sanktionen ganz abgeschafft würden, bliebe der normative Status, dass Erwerbstätigkeit das Erwünschte ist, Nicht-Erwerbstätigkeit negativ, bestehen.
Sascha Liebermann