…für diejenigen, die sie nicht brauchen, erst dann zieht Gerechtigkeit ein – oder doch nicht? Ursula Weidenfeld, Wirtschaftsjournalistin (siehe auch hier), ist zumindest dieser Auffassung, wenn sie erklärt, weshalb das „bedingungslose Grundeinkommen Humbug“ ist. Doch wie begründet sie ihre Einschätzung?
Die Bruttokostenrechnung darf natürlich nicht fehlen, sie ist aber nur dann so beeindruckend (1200 Euro x 82 Mio. x 12 Monate), wenn keine Gegenrechnung gemacht wird, die Nettoempfänger und -zahler unterscheidet. Im Transfergrenzenmodell von Helmut Pelzer und Ute Fischer wurde das zumindest getan. Aber die Bruttokalkulation klingt natürlich spektakulär, wenn man davon ausgeht, dass Leser nicht wissen, wie hoch das Volkseinkommen ist.
Frau Weidenfeld, die zuvor beklagt, dass man zu wenig über die Wirkungen eines BGEs wisse, ist sich ziemlich sicher, was die „Leistungsträger und Nettozahler“ tun würden:
„Leider aber finden die Leistungsträger und Nettozahler einer Gesellschaft hohe Steuersätze nicht gerade motivierend. Für sie wären die 1.200 Euro, die sie im Gegenzug ja auch vom Staat bekämen, ein Witz: Denn sie müssten sie mit deutlich mehr Steuern bezahlen. Wahrscheinlich hätten sie dazu wenig Lust. Sie würden weniger arbeiten, die Steuerbasis würde schrumpfen, das Grundeinkommen wäre nicht finanzierbar. Das Problem würde auch dann nicht gelöst, wenn man Vermögen oder Maschinen zur Besteuerung heranzöge, weil das Motivationsproblem bleibt. Investitionen am Standort Deutschland würden nicht mehr getätigt.“
Ein Schreckgespenst wird an die Wand gemalt und ein interessantes Bild hat sie von den „Leistungsträgern“, die die Griffel fallen lassen, wenn sie mehr Steuern zahlen sollen. Angesichts mancher Vorurteile über Leistungs- und Engagementbereitschaft, die vom Arbeitsleid-Theorem gespeist sind, ist eine solche erste Reaktion womöglich nicht überraschend. Die Frage ist, ob sie bei näherer Betrachtung von Bestand wäre. Das entscheidet sich letztlich politisch. Fehlen darf natürlich, wie ungerecht ein BGE sei:
„Auf den ersten Blick sieht es super aus. Alle bekommen dasselbe, niemand muss sich mehr beim Amt für seine Nöte rechtfertigen, oder um einen neuen Kühlschrank betteln. Nur: Wäre es richtig, einem Manager, einer Facharbeiterin, einem Chefarzt, einer Selbstständigen monatlich „Stütze“ zukommen zu lassen, die sie nicht brauchen – und bitte auch noch selbst finanzieren sollen? Oder würde sich der Staat hier eine Rolle anmaßen, die ihm nicht zukommt?“
Frau Weidenfeld, wenn schon, denn schon – mit aller Konsequenz: alle Freibeträge für diese Gruppe abschaffen, sie braucht sie ja nicht, zuallererst den Grundfreibetrag in der Einkommensteuer sowie den Kinderfreibetrag ebenso das Kindergeld. Diese Forderung erhebt sie aber sonderbarerweise nicht.
Da Frau Weidenfeld auch bedarfsgeprüfte Leistung bei Einführung eines BGE einfach streicht, liegt es nahe, soziale Härten als ungerecht zu kritisieren, die daraus folgen. Ja, nun, wenn aber es weiter bedarfsgeprüfte Leistungen gibt, nur die von ihr erwähnten Betroffenen zugleich ein BGE hätten, wäre da der Bedarf nicht auch anders zu veranschlagen?
Sascha Liebermann