Nicht mit Frage-, sondern mit Ausrufezeichen versehen wurde kürzlich in einer Veranstaltung behauptet: Ein bedingungsloses Grundeinkommen, das nicht mit einem Mindestlohn verbunden werde, sei ein Kombilohn (siehe auch unseren älteren Beitrag). – Verwirrung oder Strategie?
Ein Kombilohn ist eine Subvention, je nach dem durch Lohnkostenzuschuss an den Arbeitnehmer oder -geber, die nur gewährt wird, wenn eine Person eine Erwerbstätigkeit aufnimmt. Es handelt sich also um eine zweckgebundene Subvention, eine Lohnaufstockung durch staatlichen Transfer. Wo keine Erwerbstätigkeit aufgenommen wird, kommt der Kombilohn nicht zustande. Das bGE hingegen ist eine personengebundene, jedoch zweckungebundene Subvention, es wird qua Staatsbürgerschaft oder dauerhafter Aufenthaltsberechtigung gewährt. Es handelt sich also um einen grundsätzlichen Unterschied: das bGE stützt die Person, der Kombilohn das Beschäftigungsverhältnis.
Verwirrung oder absichtliche Irreführung liegt vor, wenn – auch von Grundeinkommensbefürwortern – manchmal behauptet wird, das bGE wirke wie ein Kombilohn. Wer nur die rechnerische Seite betrachtet, mag dazu verführt werden, vom Ergebnis her auf die Verhältnisse zu schauen: Einkommenshöhe ohne bGE (Lohn: 2000 Euro) = Einkommen mit bGE (bGE: 1000 + Lohn: 1000). Die Summe könnte dieselbe sein, aber sie kommt auf anderem Wege zustande. Ob sie dieselbe wäre, hängt davon ab, wie Mitarbeiter und Unternehmen verhandeln. Mit bGE ist dem Einzelnen immer Verhandlungsmacht und Sicherheit gegeben, mit Kombilohn nicht, weil er von der Beschäftigung abhängt. Ein Unterschied ums Ganze also.
Wenn nun darüber hinaus behauptet wird, ein bedingungsloses Grundeinkommen habe nur dann diese Bezeichnung verdient, wenn es mit einem Mindestlohn verbunden werde, dann steht dahinter eine bestimmte Werthaltung (siehe hier und auch hier). Es soll damit offenbar eine Etikettierung in gute und schlechte bzw. in richtige und falsche Grundeinkommensvorschläge vorgenommen werden. Dabei lässt sich an dieser Argumentation für ein bGE plus Mindestlohn manches ablesen:
- dass diejenigen, die das fordern, Erwerbstätige besser stellen wollen als Nicht-Erwerbstätige. Es soll ihnen eine zusätzliche Absicherung geboten werden über das bGE hinaus;
- dass die Befürworter dieser Kombination Erwerbstätigkeit höher bewerten als andere Tätigkeiten, denn sonst würden sie nicht für die zusätzliche Absicherung plädieren. Statt diese Überbewertung zu überwinden, halten sie an ihr fest;
- dass sie den Bürgern im allgemeinen nicht zutrauen, so zu verhandeln, wie es den jeweiligen Vorstellungen entspricht. Jeder hätte das Ergebnis, das er aushandelt, auch zu verantworten, denn mit einem bGE wäre er auf den Lohn nicht angewiesen.
Verhandlungsmacht? Jüngst wurde ich nach einem Vortrag gefragt, was denn geschähe, wenn in einer Stadt, in der es nur vier Unternehmen gäbe, diese sich absprächen, so dass keine Verhandlungen über ein bestimmtes Lohnniveau hinaus möglich wären. Die Antwort war einfach: dann wäre es notwendig, dass sich diejenigen, die höhere Löhne erzielen wollen, organisieren. So sind einst die Gewerkschaften entstanden.
Ein bGE kommt nicht von alleine, wir müssen uns dafür einsetzen. Wer daran zweifelt, dass dies etwas bringe, der schaue auf die Entwicklung der Grundeinkommensdebatte in den letzten Jahren.
Sascha Liebermann