Mönchengladbach: Gespräche zum Grundeinkommen – ab 24. Juni

Auf dem Vorplatz des Museum X finden ab 24. Juni Gespräche zum Grundeinkommen statt.

Programm:

Sonntag 24. Juni
12:00 Feierliche Einweihung des Forums
anschließend
Inszenierung / Gespräche zum Grundeinkommen
DU SOLLST DEIN BROT IM SCHWEISSE DEINES ANGESICHTS ESSEN?

Montag 25. Juni
18:00 Inszenierung / Gespräche zum Grundeinkommen
WELCHE BEDEUTUNG HAT ARBEIT FÜR MEIN LEBEN?

Dienstag 26. Juni
18:00 Gespräche zum Grundeinkommen
ARBEITSKRAFT = WARE?
20:00 Vortrag
WAHRHEIT PHANTASIEREN
(WIR STEHEN AUF DEN SCHULTERN VON RIESEN)
Wem gehört das Wissen? Was produziert ein Künstler – gesellschaftlich gesehen?
Gespräch mit Hinrich Sachs, Künstler und Autor, lebt in Basel, und Matthias Spielkamp, freier Journalist mit den Spezialgebieten Immaterialgüter, Recht und Regulierung der Informationsgesellschaft, lebt in Berlin

Mittwoch 27. Juni
18:00 Gespräche zum Grundeinkommen
ASSOZIATIONEN ODER WIE ENTSTEHT SOZIALE PREISBILDUNG

Donnerstag 28. Juni
18:00 Gespräche zum Grundeinkommen
DER BÖSE NACHBAR – MEINE BEIDEN MENSCHENBILDER

Freitag 29. Juni 18:00 Inszenierung / Vortrag
FREIHEIT STATT VOLLBESCHÄFTIGUNG – DAS BEDINGUNGSLOSE GRUNDEINKOMMEN ALS CHANCE UNSERER ZEIT
Vortrag von Sascha Liebermann

Samstag 30. Juni
18:00 Inszenierung / Gespräche zum Grundeinkommen
WIR SIND DER SOUVERÄN!

Sonntag 01. Juli
18:00 Inszenierung / Gespräche zum Grundeinkommen
WIE GEHT ES WEITER?

Initiatoren: Florian Dietrich, Hannes Weiler
Skulptur: Florian Dietrich, Jochen Weber
Schauspiel: Jörg Petzold
Regie: Hannes Weiler
Gespräche zum Grundeinkommen: Florian Dietrich, Roland Hoffmann,
Tanja Roebrock, Wolfgang Schneider

Freiheit statt Vollbeschäftigung – Übersetzungen ins Spanische

Nun sind unsere „Häufig gestellten Fragen“ und eine „Kurzdarstellung“ zum bedingungslosen Grundeinkommen ins Spanische übersetzt worden. Vielen Dank an Edina Sabanovic und Cristian Perez Munoz (Uruguay).

Das Bedingungslose Grundeinkommen auf „Ratten“-Fang (Hans-Olaf Henkel)

„Rattenfänger“ seien die Vertreter eines bedingungslosen Grundeinkommens, eine „spinnerte“ Idee sei es – so eröffnete Hans-Olaf Henkel seine Diskussion über das Grundeinkommen im ZDF Nachtstudio am 20. Mai. Götz W. Werner und Michael Opielka hätten an dieser Stelle zurecht die Sendung verlassen können, denn sie waren direkt angesprochen – sie blieben aber, um viel wirkungsvoller und für die Sache klärend auf die Einwände zu antworten.

Was von Hans-Olaf Henkel in dieser Sendung zu erwarten war, das ist zu Beginn deutlich geworden. Berufen dazu, die Nation aufzuklären und zu erziehen, die „Ratten“ – also uns Bürger – vor der Verführung zu bewahren, wie er in der Sendung bekannte („Wir müssen die Menschen dazu erziehen, für sich selbst sorgen zu können“), zeigte er nicht den Funken eines Bemühens, sich mit der Idee auseinanderzusetzen. Statt dessen spulte er die Thesen zum Untergang der deutschen Wirtschaft, des Bildungswesens usw. ab, die man in den letzten Jahren immer wieder von ihm vernehmen konnte. Er bemerkte nicht, wie sehr er mit dieser Haltung urdeutsche Besserwisserei zur Schau stellte, die er des öfteren schon anderen attestiert hat. Er weiß schon immer, was richtig ist, ein argumentativer Streit ist deswegen überflüssig.

Die dramatischen Folgen der Konsumsteuer wollte er Götz Werner vor Augen führen, was dann wohl in grenznahen Gebieten mit seinen DM-Märkten geschähe? Als dieser darauf entgegnete, in Konstanz seien, trotz der in Deutschland im Vergleich zur Schweiz viel höheren Mehrwertsteuer, die Umsätze der DM-Märkte hervorragend, wich Henkel aus. War wohl ein schlechtes Beispiel.

Eine Konsumsteuer von 50% wäre eine Katastrophe für grenznahe Unternehmen – kein Wort verlor er darüber, daß es dann keine Einkommensteuer mehr geben soll, die Einkommen von Unternehmen und Privatpersonen also entlastet würden. Die Binnenwirtschaft würde gestärkt, ein wirklicher Arbeitsmarkt könnte entstehen.

Wenn er nun selbst nichts zu sagen hatte – auf einen Gegenvorschlag wartete man vergebens –, weshalb dann nicht wenigstens gute Einwände oder Nachfragen zum Grundeinkommen vorbringen? Dazu hätte er sich damit beschäftigen müssen, das wollte er auf keinen Fall. Vielmehr erkennt er in der Diskussion eine gesellschaftspolitische Fehlentwicklung, die Diskussion sei gefährlich.

Ganz gleich, ob über die dynamisierenden Effekte des bGEs auf die Wirtschaft, die Freiheit zum Wollen und die Befreiung vom Müssen, die Entlastung der Arbeit und der Wertschöpfung diskutiert wurde – alles hoffnungslos, denn Hans-Olaf Henkel wußte schon immer Bescheid.

Erstaunen mußte die Überheblichkeit, die sowohl Herr Henkel als auch Herr Druyen gegenüber der Politik an den Tag legten. Sie haben leicht reden, müssen sich politisch nicht bewähren und um Stimmen kämpfen – da ist es ein Leichtes, die Welt zu belehren. Thomas Druyen, der das bGE für vollkommen absurd hielt und die Grundeinkommensdiskussion auf den Mangel politischer Kompetenz zurückführte, hatte auch keinen Gegenvorschlag zu bieten – das ist nicht ganz richtig: ein Beschäftigungsmarkt müsse her, für über 60 Jährige. Auch er hat das bGE nicht verstanden, wie es scheint, denn mit einem solchen müßte niemand beschäftigt werdener könnte sich aber mit allem beschäftigen, das er für interessant hielte.

In einem waren sich beide – Henkel und Druyen – sicher: sie wußten schon immer Bescheid, und genau das ist ein ernsthaftes Problem für eine Diskussion über Lösungen für unsere Probleme.

Sascha Liebermann

Grundeinkommen und die Frauen – kann man ihnen trauen?

Zur Diskussion „Grundeinkommen und die Frauen“ hatte die Initiative Grundeinkommen Basel (siehe Blogbeitrag) nach Zürich am 10. Mai ins Cabaret Voltaire eingeladen.
Welche Folgen hätte das bedingungslose Grundeinkommen für die Frauen, dies auszubuchstabieren sollte der Abend erlauben. Doch alles kam anders. Kaum war es möglich, die Idee einmal darzulegen und über ihre Chancen insbesondere für Frauen zu diskutieren. Skepsis machte sich breit, leerlaufende Vorbehalte überwogen, ohne daß einmal die Chancen ausgelotet wurden. Würden Frauen wieder an den Herd zurückgedrängt, würden ihnen berufliche Möglichkeiten verbaut, würde das „Geschlechterverhältnis“ zementiert?

Sonderbare Fragen aus der Sicht eines bedingungslosen Grundeinkommens, die ein Licht auf die Skeptiker werfen. Ob Frauen an den Herd zurückgedrängt würden, das hängt doch wesentlich von ihnen ab. Wenn sie es wollten, gäbe das bGE ihnen die Freiheit dazu; wenn sie es aber nicht wollten, hätten sie dieselbe Freiheit, sich zu engagieren, wo sie es für richtig und wichtig erachteten. Berufliche Möglichkeiten würden gerade durch das bGE eröffnet, denn wer will schon in einem Unternehmen arbeiten, das Frauen benachteiligt? Das bGE erlaubte es, sich selbständig zu machen, auf einfache Weise im Vergleich zu heute, oder auch sich solange umzuschauen, bis Gleichgesinnte gefunden sind und gemeinsam Initiative ergriffen werden könnte. Möglichkeiten zur Selbstbestimmung würden maximiert und nicht minimiert. Gerade für Frauen, die sich in alten Rollenverständnissen zu sehr festgeschrieben oder gefangen sehen, schüfe das bGE Chancen. Es muß einen wundern, woher also die Skepsis gegen den Vorschlag rührt, wenn man ihn mit der heutigen Lage vergleicht. Alleinerziehende, Mütter wie Väter, stünden viel besser da. Das bGE pro Kopf würde sie endlich aus der Überforderung befreien, Fürsorge für die Kinder und Einkommenserwerb unter einen Hut bringen zu müssen. Eltern könnten mit einem bGE, das pro Kopf gewährt wird (2 Erwachsene, 2 Kinder = 4 Grundeinkommen), frei entscheiden, ob sie zuhause bleiben wollten oder eine Betreuungsstelle schaffen wollten – die Mittel dazu hätten sie durch das bGE zur Verfügung.

Aus den Einwänden gegen das bGE sprechen Skepsis und Mißtrauen gegen die Frauen. Ihnen wird unterstellt, sie könnten sich – wider Willen – dazu verführen lassen, an den Herd zurückzukehren. Erstaunlich ist diese Unterstellung, da gerade Feministinnen stets diese Zuschreibung einer Opferrolle kritisiert haben, doch die Skepsis gegen das Grundeinkommen tut genau dies. Die Freiheit, die das bGE eröffnet, mag all diejenigen empören, die vorschreiben wollen, worin Freiheit zu bestehen habe – doch ein solches Vorschreiben wäre nicht freiheitlich. Wer also die Möglichkeiten hat, sich zu entfalten und dazu ein Engagement sucht, das manche für altertümlich, rückständig oder anti-emanzipatorisch halten – auch der nutzte seine Freiheit vernünftig.

Sascha Liebermann

Abwehrgefechte und journalistische Verweigerung – Maybrit Illner

Schon der Titel „Geld fürs Nichtstun. Wie gerecht ist ein Grundeinkommen für alle?“ unter dem die Sendung Maybrit Illner stand, ließ nichts Gutes ahnen. Allzu bekannt ist die zwanghafte Dauerwitzigkeit, mit der die Moderatoren des öffentlich rechtlichen Fernsehens alles und jeden überziehen. Ernsthafte Fragen auch ernsthaft zu diskutieren, das scheint unmöglich. Sich in den Dienst der öffentlichen Meinungsbildung zu stellen – die erste Aufgabe eines Journalisten – ist zur Ausnahme geworden. Nicht nur die Themen auch die Gäste werden zur Dekoration der Moderatorin und des Senders degradiert.

Diesem Gehabe fügt sich auch, daß Gäste vorgeführt und instrumentalisiert werden, wie ein Gast, Bezieher von ALG II, der sich zum Vorschlag des Grundeinkommens äußern sollte. Nur weil er ALG II bezieht und die ganze Mühle des Apparats durchlitten hat, von daher sich selbstverständlich nach einer Arbeitsstelle sehnt – sollte er deshalb dem Grundeinkommen aufgeschlossener sein als andere? Keineswegs, wie zu erfahren war. Auch hat er „gerechnet“ und genauso wenig die Veränderungen durch das Grundeinkommen berücksichtigt wie die anderen Kritiker auch. Statt sich auf die Idee einzulassen oder tragfähige Einwände vorzubringen, stimmt er ein: „Die [ALG II-Bezieher] wollen alle arbeiten“ und lehnt deswegen das Grundeinkommen ab. Ihn vorzuführen hatte zumindest eine entscheidende Wirkung: Schon aus Takt kritisiert niemand seine Äußerungen. Auch so beinflußt man die öffentliche Meinung, genau dazu hat ihn Frau Illner benutzt.

„Geld für’s Nichtstun“ – mit einem solchen Etikett versehen, läßt sich ein Vorschlag leicht desavouieren, er sollte offenbar verunglimpft werden. Das Grundeinkommen wird ja nicht für das Nichtstun gewährt, sondern um dem Einzelnen Möglichkeiten zur Selbstbestimmung zu eröffnen oder, wie Dieter Althaus sagte, um ihm Freiheit zurückzugeben. Womöglich nutzen manche diese Freiheit zum Nichtstun, aber ist das heute anders? Wer sich nur und vor allem des Geldes wegen engagiert, wie ernsthaft interessiert er sich für die Aufgabe, für deren Bewältigung er das Geld erhält – wohl gar nicht. Solche Mitarbeiter sind nirgendwo gern gesehen, weder in Unternehmen, noch in wohltätigen Organisationen und auch als Bürger sind sie nicht bereit, einen Beitrag zu leisten. Nur aber, weil es davon wenige gibt, sollten wir alle bestrafen? Und wer weiß, was diejenigen, dies sich heute nicht engagieren, täten, gäbe es ein Grundeinkommen? Da hilft es auch nicht weiter, die üblichen Vorurteile zu verbreiten wie Oswald Metzger (Die Grünen) oder Rita Knobel-Ulrich (Journalistin) es getan haben. Wo von Freiheit gesprochen wird, sehen sie das Schlaraffenland heraufziehen, ohne Peitsche keine Leistung – das gilt natürlich nicht für Metzger und Knobel-Ulrich selbst, sondern für die anderen.

Die subtilen Einspieler und Schaubilder waren tendenziös, als säßen wir Bürger auf einer Parkbank herum und warteten nur auf die Überweisung des Grundeinkommens. Auch der Vergleich des ALG II mit dem Solidarischen Bürgergeld (SB) war mutwillig verzerrt. Er sollte zeigen, daß ALG II-Bezieher sich mit dem SB verschlechtern würden, enthielt allerdings keinen Hinweis auf die heute geltenden Anrechnungsregelungen für Zuverdienste (80-90% ab 101 € werden angerechnet). Beim SB ist die Anrechnung geringer, beim bGE ist sie erst gar nicht vorgesehen.

Otmar Schreiner (SPD) erregte sich dann über die Ungerechtigkeit, daß auch Reiche das Grundeinkommen erhalten würden. Warum auch nicht, als Bürger unseres Gemeinwesens steht es jedem zu. Otmar Schreiner war wohl nicht bewußt, daß heute sowohl Kindergeld als auch Steuerfreibetrag ebenso für alle gelten, auch für diejenigen, die es seiner Auffassung nach nicht brauchen. Vollbeschäftigung sei sehr wohl erreichbar, wenn man nur wolle, so der Tenor von Otmar Schreiners Ausführungen. Aber wozu sollten wir sie anstreben, wenn ein Grundeinkommen vielfältigere Entfaltungsmöglichkeiten schaffen würde, als wir je zuvor hatten – ohne Sozialverwaltung, Gängelung, Betreuung? Darüber hinaus würde endlich jedes Engagement anerkannt und wertgeschätzt, ob es nun Erwerbsarbeit wäre, die Erziehung der Kinder oder das bürgerschaftliche Engagement.

Wer nun behauptet, wir haben doch schon eine Grundsicherung und bräuchten deswegen gar kein bGE, wie Frau Knobel-Ulrich, der bezeugt, daß er sich mit dem bGE nicht auseinandergesetzt hat. Dies war auch ein Mangel der gesamten Sendung. Statt den Vorschlag einmal breit auszuleuchten und ins Verhältnis zu gegenwärtigen Regelungen zu setzen, wurde abgewehrt, wo es nur ging. Was man fürchtet, ohne Argumente dagegen zu haben, das muß man abwehren.

Oswald Metzger ereiferte sich, das Grundeinkommen sei eine Stillhalteprämie – daran läßt sich ablesen, was er von uns Bürgern hält. Wer glaubt, wir Bürger lassen uns einfach „stillhalten“, der traut uns nichts zu. Wer uns nichts zutraut, der hält es für wichtig, daß wir „in Arbeit gesetzt“ werden. Ganz in diesem Sinne auch Otmar Schreiner, der eine Spaltung der Gesellschaft befürchtet, was er nur kann, weil er meint, die tatsächliche „Integration“ erfolge über Erwerbsarbeit und nicht über die Anerkennung der Bürger um ihrer selbst willen. Das bGE erlaubte es dem Einzelnen, dort initiative zu werden, wo er es für richtig hält, mehr Freiraum als heute, hätte er dann. Wo also soll die Spaltung herkommen? Bürger bleiben wir alle, wo auch immer wir uns engagieren, ob wir etwas leisten oder nicht, Bürger sind wir um unser Gemeinwesen willen. Doch genau das Bewußtsein von diesem Zusammenhang fehlt.

Sascha Liebermann

Bürgergeld und Grundeinkommen – Geniestreich oder Wahnsinn?

Unter diesem Titel hatte die Stiftung Marktwirtschaft zu einer Diskussion über Grundeinkommen und Bürgergeld in den Deutschen Bundestag nach Berlin eingeladen. Der Titel zeugt noch von der Befremdung, die der Vorschlag eines bedingungslosen Grundeinkommens auslöst, denn ein Geniestreich im Sinne einer genialischen Einzelleistung einer Person ist der Vorschlag keinesfalls. Vielmehr entspringt er einer sachhaltigen Analyse unserer gegenwärtigen Lage und der Möglichkeiten, die sich uns bieten, die wir bislang aber nicht ergreifen wollen.

Götz W. Werner, der den Eröffnungsvortrag hielt, hob vor allem eines heraus, was schon darin zum Ausdruck kam, wie er das Publikum ansprach: Als Bürger seien wir aufgerufen, über das bedingungslose Grundeinkommen nachzudenken, da es eine Vielzahl an Möglichkeiten für unsere Probleme biete. Unser Bemühen, unsere Probleme mit Methoden zu lösen, die diese Probleme erst hervorgebracht haben, habe dazu geführt und könne dies weiter tun, daß das Vertrauen der Bürger in unser Gemeinwesen abnimmt. Das bedingungsloses Grundeinkommen hingegen vertraue in den Initiativgeist des Einzelnen, in dem auch unser Gemeinwesen gründet.

Angesichts des großen Interesses an der Veranstaltung (ca. 300 Gäste, darunter Politiker, Vertreter von Wirtschaftsverbänden und Wohlfahrtsorganisationen) war bezeichnend, wie wenig, beinahe gar nicht, in den folgenden Beiträgen auf genau diesen Punkt: das Vertrauen in den Einzelnen als Vertrauen in die Bürger, eingegangen wurde. Nicht eine Frage in der anschließenden Diskussion griff diesen Zusammenhang auf. Von „Anreizen“ wurde in einem fort gesprochen, von Freiheit war nicht die Rede, denn sie ist das Gegenteil von Anreizen. Prof. Horst Siebert (Vortragsmanuskript) bemerkte an einer Stelle gar: Würde man die „Anreize“ beseitigen, dann bliebe nur die intrinsische Motivation, ein Wahnsinn. Intrinsische Motivation ist in seinem Verständnis offenbar bedenklich, eher ein zu steuernder Trieb als der Ausgangspunkt von Initiative. Da nimmt es nicht wunder, wenn wir unsere ausgefahrenen Bahnen nicht verlassen können: wo Freiheit winkt, droht Untergang.

Um so größer war das Interesse an den Berechnungen, die die vermeintliche Untauglichkeit des bGEs belegen sollten. Prof. Clemens Fuest, als Experte geladen, verlor kein Wort über die Annahmen, die den Berechnungen zu grunde lagen. War von „Beschäftigungseffekten“ die Rede, dann ging es um Erwerbsarbeit, nicht aber um die vielfältigen Formen von Engagement, von denen ein Gemeinwesen lebt. Wertschöpfung wurde nur gefaßt als die in Preisen ausdrückbare volkswirtschaftliche Leistung, nicht aber wurde von der „Leistung“ gesprochen, die in Preisen nicht vorliegt: Erziehung, Bildung, politische Loyalität usw. ohne die unser Gemeinwesen gar nicht bestehen könnte. Neben Götz W. Werner wies nur Katja Kipping (Die Linke/ Netzwerk Grundeinkommen) auf deren Bedeutung hin.

Prof. Fuest behauptete zwar, daß er nur von Fakten spreche, erläuterte aber an keiner Stelle, daß Berechnungen Arte-Fakte sind. Sie sind statisch und schreiben die Annahmen in die Zukunft fort, die den Berechnungen zugrunde liegen – also Annahmen der Vergangenheit. Sie beziehen also gerade nicht die Möglichkeiten ein, die das bGE schafft und wie sich das Handeln der Menschen ändern könnte. Wie sollten Berechnungen auch dazu in der Lage sein, sie simulieren lediglich eine Wirklichkeit, nicht aber sind sie die Wirklichkeit. Diese Borniertheit, vor dem Hintergrund einer schon lange währenden Diskussion auch in den Wirtschaftswissenschaften darüber, wie es möglich ist, nicht-monetär erfaßte Leistungen in Berechnungen auszudrücken, war erstaunlich – vor allem angesichts der Gewißheit, in der sie sich präsentierte. Berechnungen schauen in die Vergangenheit, das bGE hingegen in die Zukunft.

Womöglich war es der Dauerbeschuß der Freiheitsidee mit den „Anreizproblemen“, der sie hat verschütt gehen lassen in der Diskussion. Geradezu beängstigend war es, wie Experten und auch Politiker immerzu von den Anreizen sprachen, die nötig seien, damit wir Bürger etwas leisten. Eine wunderbare Allianz ergab sich zwischen dem Vertreter der SPD (Grotthaus), der Vertreterin der Grünen (Dückert) und Prof. Fuest. Alle gemeinsam gegen das Solidarische Bürgergeld von Herrn Althaus.

Wieder einmal hat sich gezeigt: die Gegner des Grundeinkommens wie die Befürworter stehen auf allen Seiten.

Sascha Liebermann