Unter diesem Titel fand das jüngste „Philosophische Quartett“ zum Grundeinkommen im Literarischen Salon, Berlin, statt. Moderation: Dorothee Schulte-Basta & Robert Ulmer,Gäste: Matthias Möhring-Hesse & Götz W. Werner.
Folgt man den Ausführungen der Diskutanten scheinen große Gemeinsamkeiten zwischen Götz W. Werner und Matthias Möhring-Hesse darin zu bestehen, dass es eine Grundabsicherung geben soll, die nicht mehr so repressiv ist wie die bestehende, auch wenn dies bei Möhring-Hesse nicht zum Grundeinkommen führt. Man beachte genau, wie er gegen ein Grundeinkommen argumentiert. Was emanzipatorisch klingt, weil er die Elite kritisiert und sie für die Verschärfung der Bezugsbedingungen von Sozialleistungen ausschließlich verantwortlich macht, entmündigt er die Bürger zugleich. Wie das? Wenn die Elite oder anders gesprochen „die da oben“ verantwortlich sind, dann sind es „die da unten“ nicht. Was so klingt, als nehme er die Bürger in Schutz, unterstellt, die Bürger seien in der Mehrheit anderer Auffassung als die Elite in Sachen Repression. Das ist eine steile Behauptung. Wer regelmäßig Grundeinkommensveranstaltungen besucht oder für die Idee wirbt, macht ganz andere Erfahrungen. Es werden wohl die Repressionen gegen einen selbst, nicht aber gegen die anderen beklagt (sehr deutlich auch in dem Film „Designing Society“ zu sehen). „Hartz IV“ hatte breiten Rückhalt und hat ihn noch.
Weshalb ist eine solche Haltung nun entmündigend? Indem man sich schützend vor jemanden stellt, meint man ihn schützen zu müssen, ohne dass er selbst darüber befinden kann. Weil „die da oben“ machen, was sie wollen, und unseren guten Sozialstaat zerstören, können wir ihnen nicht mehr trauen. Das heißt in der Folge, wir müssen befürchten, dass sie, würde ein Grundeinkommen eingeführt, es nur zu weiterem Sozialabbau nutzten. Genau aus diesem Grund, Möhring-Hesse sagt das ausdrücklich, ist er auch gegen ein Grundeinkommen. Diese Form der, nennen wir es, emanzipatorischen Fürsorge, ist jedoch auch nur eine weitere Form der Bevormundung, schwieriger zu erkennen als die einfache Form des Misstrauens.
Was bedeutet diese Haltung für unsere Demokratie und den ihr Lebensquell ausmachenden öffentlichen Streit? Möhring-Hesse will seine Vorstellung einer weniger repressiven Grundsicherung in verschiedenen Leistungselementen (Rente u.a.) „verstecken“, dass sie nicht so auffallen und dadurch vor Anfeindung besser geschützt sind (im Video ungefähr ab Minute 31). Weniger Transparenz wäre die Folge, wodurch öffentliche Diskussionen erschwert würden. Schutz statt Transparenz also?
Offenbar hält er die Bürger für so schwach, für so unmündig, dass sie vor sich selbst geschützt werden müssen. Selbst aber wenn sie letztlich für die Abschaffung aller Sozialleistungen stimmen würden (das fordert bislang keine Partei), dann wäre das ein Votum des Souveräns. Nehmen wir einmal an, zu einem solchen Votum würde es kommen, was dann? Dann hätten wir dieselbe Situation wie in der Schweiz nach der Abstimmung über das Minarettverbot. Es läge eine klare Entscheidung vor, die dann eine gute Grundlage für öffentliche Debatten wäre. Eine solche Entscheidung ist immer eine bessere Grundlage als nichtsnutzige Meinungsumfragen, die überhaupt keine Entscheidung repräsentieren, sondern bestebfalls „Was wäre wenn-Situationen“ ohne etwas darüber zu sagen, wie die Befragten sich in einer Situation tatsächlich entscheiden würden.
Sascha Liebermann