…ein Gespräch von detektor.fm mit dem Soziologen Georg Vobruba. Das Interview findet sich am Fuß der Website. Thomas Loer hat vor längerer Zeit ein Interview mit Georg Vobruba in der Süddeutschen Zeitung kommentiert, siehe „Irrungen, Wirrungen – wo Klarheit not täte“.
Manche Überlegung Vobrubas ist interessant, manche hingegen missverständlich. Wenn er zu Beginn ausführt, dass das Grundeinkommen – es wird nicht näher spezifiziert im Gespräch – eine Höhe haben werde, auf der man sich nicht ausruhen könne, dann spricht Vobruba über etwas, das er nicht wissen kann. Wie hoch ein BGE ausfallen würde, wenn es denn eingeführt werden sollte, ist aus heutiger Sicht schlicht nicht zu sagen. Es hängt ja wesentlich von der Willensbildung ab.
Vobruba untertreibt die Folgen eines BGE auf Haushalte. Da es dem Individualprinzip folgen würde, stünden Familien oder Wohngemeinschaften ungleich besser dar. Dass das zusätzlich verfügbare Geld die zum Familienleben gehörigen Konflikte nicht aufhebt, ist klar, doch würde man sich ihnen anders stellen können, wenn die Freiräume dafür größer wären. Und das hätte vermutlich auch Auswirkungen auf das Familienleben, weil die Bedeutung von Familie anders gewürdigt würde.
Zu arbeiten sei nicht vom Geldverdienen getragen, wenngleich das Streben nach mehr Geld, als das Grundeinkommen bereitstellt, wohl vorhanden sei, so Vobruba. Es werde auch gerne gearbeitet, insofern müsse man keine Sorgen um die Arbeitsmotivation haben. Bei hoher Entlohnung hingegen greife das BGE hingegen nicht. Dies Äußerung ist wiederum ungenau, denn es trifft zwar zu, dass für diejenigen, die ein hohes Einkommen beziehen, das BGE nicht ins Gewicht fallen würde – sofern man die Einkommenssumme betrachtet. Die normative Veränderung, die ein BGE bedeutet, wäre hingegen für alle erheblich, weil dadurch Erwerbstätigkeit normativ relativiert würde. Das Solidargefüge würde ausdrücklich auf das Fundament gestellt, das für die Demokratie charakteristisch ist und das hätte Folgen für alle.
Zur Aktion „Mein Grundeinkommen“ bemerkt Vobruba, dass sie mit dem BGE „so gut wie gar nichts zu tun“ habe, sie sei vor allem Ausdruck gekonnter „Selbstvermarktung“. Trotz allem habe er durchaus Sympathien dafür.
Eindeutig fällt sein Urteil über Feldexperimente aus und damit über die Erfahrungen, die darin – auch bei „Mein Grundeinkommen“ – gemacht werden. Weil das BGE ein Ausnahmezustand für einen begrenzten Zeitraum bleibt, könnte aus den Feldexperimenten nichts gefolgert werden. Wer wegen eines befristeten Grundeinkommens darauf verzichtete, sich an den erfordernissen des Arbeitsmarktes zu orientieren, sei einigermaßen verrückt. Denn nach dem Ende des Experiments würde das wieder die Realität sein.
Die Eidgenössische Volksinitiative hält er mit Verweis auf Äußerungen der Initianten ebenfalls für aussichtslos, wenngleich strategisch für einen wichtigen Schritt, um Aufmerksamkeit für das Thema zu erhalten. Sollten die Schweizer wider Erwarten dafür stimmen, sei damit die Diskussion nicht beendet, sie gehe erst los, weil dann zu klären ist, welches Grundeinkommen gewollt sei.
Dass er nun gerade eine Einführung in Deutschland für sehr unwahrscheinlich hält – Deutschland sei ein arbeitsversessenes Land -, überrascht, denn das Arbeitsethos in der Schweiz ist womöglich noch höher. Allerdings ist das bodenständige Demokratieverständnis, das selbstverständliche Vertrauen in die direkte Demokratie ein Zeichen dafür, dass man den Bürgern mehr zutraut, sie als mündig erachtet. Das, nicht das Arbeitsethos, ist das eigentliche Hindernis, das es in Deutschland zu überwinden gilt.
Sascha Liebermann