Im Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung (siehe auch hier) wird das Bedingungslose Grundeinkommen von Remo Largo vor allem der Digitalisierung und ihrer etwaigen Folgen wegen befüwortet. Das ist etwas überraschend, diagnostiziert Largo darin selbst als gravierendes Problem der Gegenwart, dass wir Beziehungen zu wenig Raum geben. Die Verknüpfung dieser Diagnose mit dem BGE kommt jedoch im Interview der NZZ und im Gespräch in diesem Video nicht zustande, obwohl sie naheliegt, und zwar in verschiedener Hinsicht: 1) als Einkommen, das durch das Gemeinwesen eingeführt und durch Gesetzgebung geschützt wird, ist es eine ausdrückliche Solidarleistung des Gemeinwesens an seine Angehörigen, die um ihrer selbst willen und um des Gemeinwesens willen das BGE erhalten. Das ist eine elementare Anerkennung. Der Bedingungslosigkeit dieses Einkommens entspricht die bedingungslose Geltung des Status als Staatsbürger; 2) als Einkommen, das unabhängig von individuell zu erbringender Erwerbsleistung bereitgestellt wird, hebt es den normativen Vorrang von Erwerbstätigkeit auf und bringt dadurch zum Ausdruck, dass der Einzelne selbst entscheiden muss, wie er diese Freiräume füllt. Das schafft Raum dafür, das Wichtige und Richtige anders aufzufassen als heute, gerade auch Beziehungen zu anderen Menschen (interessant im Video etwa ab Minute 35). Wenn es ein BGE gibt, könnte auch das nachbarschaftliche Miteinander sich verändern. Im Video etwa ab Minute 44 ist besonders interessant, wie Largo den Entwicklungsprozess eines Kindes versteht. „Kinder werden erzogen über das Vorbild“. Wenn sie etwas nicht machen, von dem wir meinen, es sei wichtig, dann müssen wir uns fragen, ob wir etwas erwarten, was sie nicht oder noch nicht können bzw. dies ihnen nicht gemäß ist. Diesen Blick auf manche Probleme zu richten, über die wir heute diskutieren, würde die Probleme in einem anderen Licht erscheinen lassen.
Sascha Liebermann