„Auch das bedingungslose Grundeinkommen kommt wieder auf die Agenda“…

…ein Kommentar – oder besser gesagt ein ironisierendes Untergangsszenario – von Beat Balzli in der Neuen Zürcher Zeitung. Er beschließt seinen Beitrag folgendermaßen:

„Hinter jeder Disruption herrscht Dunkelheit. Maschinen machen Genies leistungsfähiger und dem Mittelmass den Garaus. Der Abgang der Boomer hinterlässt Lücken, dämpft den Absturz nur. Der empathiebefreite Volkswirt nennt es Sockelarbeitslosigkeit. Die KI besorgt künftig nicht demselben Menschen einen Job, dem sie ihn zuvor genommen hat. Die Mittelschicht findet sich im Abklingbecken der Transformation wieder: Mittelmanager, Marketingplaner . . . oder wie die Dinosaurier einer bald untergegangenen Arbeitswelt alle heissen.“

Ein Szenario, das in der BGE-Diskussion immer wieder beschworen wurde, wenn auch unter wechselnden Schlagworten: Ende der Arbeit, Digitalisierung und jetzt Künstliche Intelligenz. Ob es nun eintreffen wird, wird sich zeigen. Auch früher schon war es verkürzt, ein BGE vor dem Hintergrund der Arbeitsmarktentwicklung für notwendig zu erachten, damit geriet aus dem Blick, worum es im Zentrum gehen müsste: die Selbstbestimmungmöglichkeiten in einem Gemeinwesen, die Eröffnung von Gestaltungsfreiräumen – letztlich die Anerkennung der Bürger um ihrer selbst willen in der politischen Ordnung.

„Die Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens beobachten die Entwicklung genau. Trotz Niederlagen an der Urne kommt das Konzept irgendwann zurück. Verlockender und unbezahlbarer denn je, trifft es dann auf eine gewandelte Schweiz, in der die Eigenverantwortung erodiert. Die Politik tut gut daran, sich bereits heute darauf vorzubereiten – mit einer intelligenten Antwort. Ahornsirup für alle ist keine Lösung.“

Man könnte auch sagen, der Autor hat genau diese Dimension eines BGE, in der es um Demokratie und Bürger geht, nicht im Auge.

Sascha Liebermann

Beschränkte Rationalität, Vorteile eines Bedingungslosen Grundeinkommens und doch die „Zielgenauigkeit“ bevorzugen

Die Neue Zürcher Zeitung hat ein Interview mit der Wirtschaftswissenschaftlerin Esther Duflo geführt, in dem an einer Stelle das Bedingungslose Grundeinkommen ins Spiel kommt. Da Duflo sich dazu auch früher schon geäußert hat (siehe unseren Kommentar hier), sei die Stelle kommentiert.

„[NZZ] Um die Folgen solcher Schocks abzufedern, wird seit einigen Jahren das bedingungslose Grundeinkommen propagiert, als Mittel für Sicherheit und Teilhabe. Dies führt doch dazu, dass die Leute nicht mehr arbeiten?

[Duflo] Diese Effekte werden überschätzt. In Alaska wird jährlich pro Kopf ein Teil der Einnahmen aus dem Erdölfonds ausgeschüttet, was in die Richtung eines bedingungslosen Grundeinkommens geht, auch wenn es im Schnitt nur etwa 1600 Dollar pro Jahr sind. Die Menschen in Alaska arbeiten deswegen aber nicht weniger. Ein bedingungsloses Grundeinkommen erlaubt es den Leuten jedoch, nicht jede beliebige Stelle annehmen zu müssen, sondern sich bei der Arbeitssuche etwas Zeit zu nehmen.“

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NZZ schnappt sich Knallerzitat eines SVP-Mitglieds,…

…die im Beitrag versammelten Stimmen sind differenziert und bieten nachvollziehbare Einwände.

Zur Problematik solcher Versuche, siehe hier.

Sascha Liebermann

„Das Grundeinkommen ist wieder da – und soll die Marktwirtschaft retten“ schreibt Christoph Eisenring…

…über das neue Buch von Thomas Straubhaar in der Neuen Zürcher Zeitung. Eisenring hatte schon das erste Buch Straubhaars zum Bedingungslosen Grundeinkommen „Radikal gerecht“ rezensiert (siehe hier) und erwartbare, teils treffende Einwände vorgebracht. In der aktuellen Rezension geht es wieder um „Arbeitsanreize“, die Eisenring ähnlich krude verwendet wie Straubhaar über die Jahre selbst. Wer behauptet, Erwerbsarbeit verliere aufgrund höherer Besteuerung an Attraktivität, sollte sich einmal damit befassen, welche Gründe es noch dafür gibt, erwerbstätig zu werden, dann würde die Deutung ungleich komplexer werden. Darauf habe ich in meinem damaligen Kommentar auch mit Verweis auf Ausführungen Karl Widerquists hingewiesen.

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„…eine Gruppe von Mitbürgern einfach mit bedingungslosem Grundeinkommen auszugliedern“ – Unternehmerblick oder Sozialpaternalismus?

Diese Frage stellt sich anlässlich des Interviews mit Reinhold von Eben-Worlée, Präsident von Die Familienunternehmer, in der Neuen Zürcher Zeitung, der folgendes darin ausführt:

„[NZZ] Zuletzt hat aber auch der grüne Vorstand Vorschläge gemacht für eine sogenannte «Garantiesicherung» ohne Arbeitszwang, die ein bedingungsloses Grundeinkommen über die Hintertür einführen würde.

[Eben-Worlée] Die Schröderschen Hartz-IV-Reformen haben ja gerade deswegen so gut gewirkt, weil es kein bedingungsloses Grundeinkommen gab. Wir haben darüber hinaus ein erhebliches demografisches Problem in Deutschland und können es uns gar nicht leisten, eine Gruppe von Mitbürgern einfach mit bedingungslosem Grundeinkommen auszugliedern. Wir werden diese Leute brauchen, um unser Bruttosozialprodukt für alle aufrechtzuerhalten.“

Gut gewirkt inwiefern? Und: um welchen Preis? Wenn es einem Unternehmer nicht gleichgültig sein kann, aus welchem Antrieb heraus ein Mitarbeiter sich bei ihm bewirbt und sich zu engagieren bereit ist, dann ist Hartz IV das denkbar abwegigste Instrument dafür. Wenn der Präsident des Bundesverbandes der Familienunternehmen spricht, müsste es ihm doch um Wertschöpfung gehen, dann würde die Leistungsbereitschaft zählen, die sich am besten erkennen lässt, wenn jemand sich nicht um des Einkommens willen bewerben muss. Wenn es das Ziel ist, eine Aufgabe möglichst gut zu erledigen, spielt die Motivation der Mitarbeiter eine entscheidende Rolle – nicht aber offenbar für die Familienunternehmer.

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„Das liberale Denken beginnt nicht an der Decke, sondern gemäss Ralf Dahrendorf auf dem «gemeinsamen Fussboden»…

…, von dem aus jedes Individuum, dank seinem Antrieb und seinen Fähigkeiten, so hoch aufsteigen kann wie jemand, der in einem Penthouse ins Leben startet. Dazu beitragen können eine negative Einkommenssteuer (wie sie schon Milton Friedman empfahl), ein bedingungsloses Grundeinkommen (das bei einer Umfrage meines Forschungsteams in Oxford überwältigende 71 Prozent der Europäer bejahten), ein steuerfinanziertes universales Minimalerbe (besonders wünschenswert, wenn – wie in Grossbritannien und Amerika – der entscheidende Graben nicht beim Einkommen, sondern beim geerbten Vermögen klafft), ausserdem allgemeine Grundversorgung für Gesundheit, Wohnung und soziale Sicherheit. Es gibt ganz unterschiedliche nationale Varianten des liberalen, demokratischen Kapitalismus; deshalb wird sich der Mix dieser Massnahmen von Land zu Land unterscheiden.“

Eine interessante und folgenreiche Einschätzung des Liberalismus durch Timothy Garton Ash in der Neuen Zürcher Zeitung. Der hier erwähnte Ralf Dahrendorf war auf der einen Seite ein klarer Vertreter einer Bürgergemeinschaft, in der es nicht entscheidend ist, welchen Beitrag jemand leistet, sondern dass er  um seiner selbst willen und um der Gemeinschaft willen anerkannt wird. Zugleich hatte Dahrendorf aber erstaunliche Vorbehalte gegen ein garantiertes Grundeinkommen.

Sascha Liebermann

Almosenempfänger, sorgsam alimentierte Klientel, Gouvernanten-Staat…

…wahrlich ein Bedrohungsszenario, das Christoph Prantner in seinem Kommentar in der Neuen Zürcher Zeitung zum Bedingungslosen Grundeinkommen entfaltet:

„Die bedingungslose Mindestsicherung, das Steckenpferd der Salonlinken bei den Grünen, der Linken und der SPD, ist genau das Gegenteil. Sie macht aus Bürgern Almosenempfänger – eine sorgsam alimentierte Klientel, die wenig Anreize hat, andere Segnungen eines umfassenden Gouvernanten-Staates abzulehnen.“
Doch: Almosen sind freiwillige Gaben, Gnadengeschenke – ein BGE wäre durch Gesetz eingeführt und der Anspruch damit etabliert; Klientel gäbe es keine, da es alle erhalten; die Beschwörung des Nanny-Staates, hier als Gouvernante, darf natürlich nicht fehlen – sind die Bürger solch schwächliche,  unmündige, ihre Interessen nicht verteidigen könnende Geschöpfe? Ja, das sind sie, denn wo keine Anreize sind, droht der Untergang. Dann wäre es vielleicht besser, gleich unterzugehen, ohne die gouvernantenhaften Anreize.
Sascha Liebermann

„Wir müssen das Konzept ‚Hotel Mama‘ dringend überdenken“ – Ablösung und Bedingungsloses Grundeinkommen…

…darum geht es in einem Interview mit Remo Largo in der Neuen Zürcher Zeitung. Largo war vor seiner Pensionierung u.a. für die Zürcher Longitudinalstudien verantwortlich, die am Zürcher Kinderspital durchgeführt wurden. Auf seiner Website finden sich etliche Veröffentlichungen dazu frei zugänglich.  In seinem jüngsten Buch „Das passende Leben“ führt er seine über die Jahre gewonnenen Erkenntnisse zur kindlichen Entwicklung nochmals zusammen und kommt auf ein Bedingungsloses Grundeinkommen zu sprechen (siehe hier und hier). Seine Einsichten sind interessant, weisen auf ganz drängende Fragen dahingehend hin, wie viel Zeit und Raum Familie heute noch hat und wie sehr Kinder in ihrer Entwicklung durch die Vorstellungen der Erwachsenenwelt bedrängt werden.

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„Europa sucht händeringend Fachkräfte“…

…auch wenn es anders erscheint, so ist dieser Beitrag von Nicole Rütti in der Neuen Zürcher Zeitung  etwas differenzierter, als der Titel erahnen lässt:

„Es gibt aber einige Faktoren, welche die Klagen über den ausgeprägten Fachkräftemangel relativieren. Zum einen haben die (realen) Löhne – ökonomisch ein guter Knappheitsindikator – in der Schweiz in den zurückliegenden Jahren stagniert. Selbst in besonders betroffenen Branchen wie dem Ingenieurwesen oder den Pflegeberufen lassen sich keine ausgeprägten Lohnsteigerungen feststellen. Zum anderen besteht in der Schweiz nach wie vor ein relativ grosses Reservoir an nicht ausgeschöpften Arbeitskräften. 2018 belief es sich auf 830 000 Personen.

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