Beschränkte Rationalität, Vorteile eines Bedingungslosen Grundeinkommens und doch die „Zielgenauigkeit“ bevorzugen

Die Neue Zürcher Zeitung hat ein Interview mit der Wirtschaftswissenschaftlerin Esther Duflo geführt, in dem an einer Stelle das Bedingungslose Grundeinkommen ins Spiel kommt. Da Duflo sich dazu auch früher schon geäußert hat (siehe unseren Kommentar hier), sei die Stelle kommentiert.

„[NZZ] Um die Folgen solcher Schocks abzufedern, wird seit einigen Jahren das bedingungslose Grundeinkommen propagiert, als Mittel für Sicherheit und Teilhabe. Dies führt doch dazu, dass die Leute nicht mehr arbeiten?

[Duflo] Diese Effekte werden überschätzt. In Alaska wird jährlich pro Kopf ein Teil der Einnahmen aus dem Erdölfonds ausgeschüttet, was in die Richtung eines bedingungslosen Grundeinkommens geht, auch wenn es im Schnitt nur etwa 1600 Dollar pro Jahr sind. Die Menschen in Alaska arbeiten deswegen aber nicht weniger. Ein bedingungsloses Grundeinkommen erlaubt es den Leuten jedoch, nicht jede beliebige Stelle annehmen zu müssen, sondern sich bei der Arbeitssuche etwas Zeit zu nehmen.“

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„Financial incentives are nowhere near as powerful as they are usually assumed to be“…

…so werden Esther Duflo und Abhijit Banerjee in einem Beitrag von Steve Dubbs aus dem Jahr 2019 zitiert, nachdem sie für ihre Forschungsarbeiten von der Schwedischen Reichsbank geehrt wurden. Die Einsicht, die hier zitiert wird, ist nicht überraschend für diejenigen, die sich empirisch mit Handeln beschäftigen, müssen aber offenbar dennoch herausgestellt werden angesichts verbreiteter Mythen diesbezüglich.

Siehe frühere Beiträge zu Duflo und Banerjee, die sich auch zum BGE geäußert haben, hier.

Sascha Liebermann

„…dann ist ein bedingungsloses Grundeinkommen keine Lösung“…

…sofern die Diagnose von Esther Duflo und Abhijit Banerjee richtig liegt, wie sie in einer Rezension ihres neuen Buches „Gute Ökonomie für harte Zeiten“ in der Süddeutschen Zeitung dargestellt wird.

Hier die ganze Passage:

„Für das oft gehörte Argument, ein bedingungsloses Grundeinkommen verleite zum Nichtstun, sehen die Ökonomen keine Belege. Dennoch äußern sie im Fall reicher Länder eine gewisse Skepsis: ‚Wenn wir mit der Annahme richtig liegen, dass die wahre Krise in den reichen Ländern darin besteht, dass viele Bürger, die sich früher als Teil der Mittelschicht betrachteten, ihr Selbstwertgefühl verloren haben, das sie früher aus ihrer Arbeit bezogen, dann ist ein bedingungsloses Grundeinkommen keine Lösung.‘ Für arme Länder befürworten sie ein „rudimentäres Grundeinkommen“, das auch für die dringend benötigte Geldzirkulation sorgen würde.“

Wie aber gelangen die beiden Autoren zu dieser Diagnose? Dass unter Bedingungen des normativen Vorrangs von Erwerbstätigkeit, zu der einen Beitrag zu leisten als höchster Beitrag zum Gemeinwohl betrachtet wird, der Verlust einer Erwerbsstelle gravierende Folgen hat, ist unbestritten. Wären dann aber die Folgen dieses Verlustes nur dadurch abzuwenden, wieder in Erwerbstätigkeit zu gelangen, hier also für die betreffende Mittelschicht dafür zu sorgen, dass sie wieder zu Arbeitsplätzen gelangen kann, auch wenn diese nicht gebraucht würden? Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob das Selbstwertgefühl als ganze Person tatsächlich von Erwerbstätigkeit abhängt bzw. diese dafür entscheidend ist. Liegt hier womöglich eine folgenreiche Annahme vor, die gerade zu prüfen wäre?

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„Versuchslabor Armut“…

…eine Dokumentation (hier in der Mediathek von 3SAT) über Armut und Feldexperimente, die Einsichten in deren Gründe liefern sollen. Diese Doku gibt Einblick darein, wie solche Feldexperimente in Anlehnung an Kontrollstudien aus der medizinischen Forschung durchgeführt werden. Auf der Basis standardisiert erhobener und ausgewerteter Daten, darauf wird von Stefan Silvestrini hingewiesen, kann allerdings nur festgestellt werden, welche Unterschiede zwischen Kontrollgruppen bestehen. Woher sie rühren, ist so nicht herauszufinden, es bedarf dazu sogenannter qualitativer Verfahren, die dann erst verstehen lassen, welche kulturellen Deutungsmuster hinter dem Handeln der Menschen zu erkennen sind. Damit wird zugleich deutlich, dass Befunde nicht einfach auf andere Länder übertragen werden können, siehe dazu auch Interviews mit der Ethnologin Sabine Klocke-Daffa über das Grundeinkommensprojekt in Namibia.

Sascha Liebermann