„Warten auf die Ungleichheit“ – auch eine Seite der Einzelfallgerechtigkeit…

…ist, auf die Bearbeitung des eigenen Falles warten zu müssen. Deutlich macht dies Roland Frickenhaus auf kobinet am Beispiel der Reform des Bundesteilhabegesetzes. Wenn in Beiträgen über den gegenwärtigen Sozialstaat nicht selten betont wird, wie kürzlich von Gerhard Bosch, dass man individuelle Rechtsansprüche gegen ihn habe und damit eine Grundabsicherung immer gegeben sei, dann wird leicht vergessen, dass diese Ansprüche stets in Regelungen umgesetzt werden müssen. Diese Umsetzung im deutschen Geiste der Einzelfallgerechtigkeit führt ganz schnell zu für den Bezieher wenig übersichtlichen oder gar überschaubaren Ansprüchen, deren Beantragung aufwendig und häufig ohne Hilfe kaum zu bewerkstelligen ist (was dem Abrufen der Ansprüche nicht gerade förderlich ist). Wenn die Leistungen dann, wie es durchaus auch bei Arbeitslosengeld II-Beziehern vorkommt, lange auf sich warten lassen, bis die Berechnungen fertiggestellt sind und derjenige keine Überbrückungsleistungen bekommt bis dahin, wird deutlich, welche Vorzüge es hätte, mehr mit Pauschalen zu arbeiten, die schnell verfügbar sind (was ursprünglich einmal mit der Agenda 2010 vorgesehen war). Genau in diese Richtung weist ein Bedingungsloses Grundeinkommen, das von den Verteidigern des Einzelfallgerechtigkeitssozialstaats dann aber abgelehnt wird. Will man eine praktizierbare und wirklich effektive Einkommensabsicherung oder eine Gesetzgebung, die Einzelfallgerechtigkeit im Auge hat, und darüber die Praxis des Leistungsbezuges übersieht?

Sascha Liebermann