…das hört man immer wieder einmal, wenn mit Wirtschaftswissenschaftlern über das Bedingungslose Grundeinkommen diskutiert wird, so auch im vergangenen Jahr anlässlich der Fair-Finance-Week in Frankfurt (siehe auch hier zu einem der Diskutanden). Der Grund für diese Einschätzung ist schnell benannt. In einer Studie des Ifo-Instituts zum Solidarischen Bürgergeld von Dieter Althaus wird es so ausgedrückt:
„Das vorgeschlagene Bürgergeldkonzept führt nicht zu einer Entlastung des Arbeitsmarkts. Durch das Grundeinkommen, das alle (erwachsenen) Staatsbürger unabhängig von etwaigen Erwerbseinkünften erhalten, wird die Option, nicht bzw. weniger zu arbeiten, attraktiver als im geltenden Steuersystem. Personen, die derzeit ein niedriges Einkommen erzielen, können im Althaus-Konzept weniger oder nicht mehr arbeiten, ohne dabei deutlich Einkommenseinbußen hinnehmen zu müssen.“ („Beschäftigungs- und Finanzwirkungen des Althauskonzepts“ (2007) von Clemens Fuest, Andreas Peichl und Thilo Schaefer, S. 40)
Auffällig bei diesen Studien ist stets, dass im Indikativ geschlussfolgert wird, obwohl die Simulation mit Annahmen arbeitet, von denen niemand weiß, ob sie in Zukunft gelten werden. Im Grunde müsste hier also immer im Konjunktiv geschlussfolgert werden. Das kann man für eine Kleinigkeit halten, da doch jeder weiß, dass es sich nur um ein Simulationsmodell handelt. Es wird dann aber doch in entsprechenden Diskussionen so getan, als spiegele die Simulation tatsächliche Ereignisse in der Zukunft wieder. Das kann sie aber gar nicht. Simulationen sind keine empirische Forschung, auch wenn diejenigen, die diese Modelle nutzen, das Gegenteil behaupten. Simulationsmodelle sind ein Zugeständnis der Forschung an die politische Planung, um vermeintliche Sicherheit über die Folgen von Entscheidungen zu gewinnen, eine Sicherheit, die trügerisch ist. Letzlich wird also nur die Vergangenheit in die Zukunft verlängert unter Berücksichtigung einer vermeintlichen, nicht tatsächlichen Veränderung.
Entscheidend sind für solche Simulationen die Annahmen:
1) Im zitierten Fall wird von einem direkten Zusammenhang zwischen Grundeinkommen und Arbeitsbereitschaft ausgegangen. Ist ein gewisses Einkommen sicher gegeben, sinke die Arbeitsbereitschaft. Das gelte besonders dort, wo niedrige Einkommen erzielt werden. Diesen Zusammenhang kann man nur herstellen, wenn man behauptet, Arbeitsbereitschaft hänge direkt vom Einkommen ab bzw. dem Streben nach Einkommen. Dass dies nicht so ist, darauf haben wir in unserem Blog schon öfter hingewiesen, direkt dazu besonders interessant sind diese Studien:
Zur Kritik des Armutsfallentheorems (Ronald Gebauer und Hanna Petschauer)
Die Arbeitslosigkeitsfalle vor und nach der Hartz-Reform (Georg Vobruba und Sonja Fehr)
Fordern statt Fördern? – Nein! Wege aus Arbeitslosigkeit und Armut erleichtern (Ronald Gebauer)
Arbeit gegen Armut. Grundlagen, historische Genese und empirische Überprüfung des Armutsfallentheorems (Ronald Gebauer)
Sie zeigen, wie sehr dieses „Anreizdenken“ von empirisch nicht gedeckten Annahmen ausgeht und dennoch weiter als harte Wirklichkeit betrachtet wird. Würde eine andere Annahme getroffen, dass nämlich Arbeitsbereitschaft auf habituellen Neigungen und Motivierungen beruhe und in keiner direkten Relation zu Einkommserzielung steht, würde man zu einem anderen Ergebnis gelangen.
2) Die einseitige Bewertung von Folgen ist für solche Simulationen ebenso bedeutend. Die hier zitierte Studie konstatiert vermeintliche Effekte auf das Arbeitsangebot. Sie sagt aber nichts darüber, weshalb das ausschließlich negativ wäre und vor allem wird nicht berücksichtigt, was der Zugewinn an Freiräumen, der die Chance erhöht, das für einen Passende zu finden, zugleich ein Zugewinn an Verhandlungsmacht gegenüber einem Arbeitgeber mit sich brächte. Hier sind also verschiedene Effekte denkbar, die trotz Reduzierung des Arbeitsangebots positive Auswirkungen auf die Arbeitsleistung insgesamt haben könnte. Wer einen Beruf ausübt, der zu ihm passt, und das noch unter Arbeitsbedingungen tut, die seine Motivierung unterstützten, leistet mehr und anders. Da dies als allgemeiner Effekt eines Grundeinkommens (je nach Ausgestaltung) betrachtet werden muss, hätte es ebenso allgemeine Auswirkungen auf die Leistungserstellung. Das wiederum hätte Auswirkungen auf die Einnahmeseite des Staates. Darüber hinaus kann die Entscheidung dafür, das Arbeitsangebot zu reduzieren oder zurückzuziehen für den Einzelnen eben die angemessene Entscheidung sein. Würde er sie nicht treffen können, weil unbedingte Arbeitsbereitschaft erwartet würde, so wie heute, hat dies eben auch Folgen für die Leistungsfähigkeit. Das wird in der Studie nicht einmal erwähnt.
Interessant ist, dass die Argumentation in der Studie auf ähnlichen Annahmen beruht, wie sie in gewerkschaftsnahen Kreisen genutzt werden (siehe „Brüder im Geiste“ sowie hier und hier). Das war auf der Fair-Finance-Week eben auch der Fall.
Da sich die Autoren der oben genannten Studie an einer Stelle für ihre Erläuterungen auf die Negative Income Tax-Experimente in den USA Anfang der 1970er beziehen, sei dazu auf den Artikel von Karl Widerquist hingewiesen, der sich mit der Rezeption der Ergebnisse dieser Experimente ausführlich befasst hat. Auf Studien berufen sich Autoren aus unterschiedlichen Gründen und mit unterschiedlichen Motiven. Das macht Widerquist in seinem Beitrag deutlich.
Sascha Liebermann