Alexander Hagelüken befasste sich in seinem Beitrag „Marx und die Roboter“ in der Süddeutschen Zeitung mit der Debatte über etwaige Folgen der Digitalisierung, wie der Blick weg von der Angstdiskussion (Arbeitsplatzverlust) zu den Möglichkeiten der Digitaltechnologie geführt werden könnte. Hagelüken betreibt keine Schwarz-Weiß-Malerei. Gegen Ende kommt er dann auf ein Bedingungsloses Grundeinkommen zu sprechen und schreibt:
„In einer Demokratie sollte die Macht aber bei der Mehrheit liegen, bei den Arbeitnehmern, deren Einkommen schrumpfen dürfte. Sie müssten die Parteien drängen, die Gewinne der Maschinenära fair zu verteilen.“
Ja, diese Macht muss ergriffen werden, dazu müssten sich die Bürger artikulieren. Macht hat immer zwei Seiten, die einen, die sie nutzen und die anderen, die ihre Möglichkeiten nicht nutzen. Hier sieht Hagelüken die Verknüpfung zum BGE:
„Um das zu tun [die Gewinne der Maschinenära fair zu verteilen“, SL], favorisieren immer mehr Bürger ein bedingungsloses Grundeinkommen. Etwa 1000 Euro im Monat könnten den schrumpfenden Lohn aufpolstern. Die Idee ist so bestechend einfach, dass sie Schwärmerei auslöst. Zu viel Schwärmerei. Abgesehen von vielen Einzelfragen stimmt die Machtfrage nachdenklich: Ein Grundeinkommen bleibt eine Subvention, die nach der nächsten Wahl wieder abgeschafft werden kann, nachdem die Kapitalisten effizient lobbyiert haben.“
Hier beißt sich doch die Katze in den Schwanz. Hatte Hagelüken oben nicht deutlich gemacht, dass Lobbyismus nur dann sich so auswirken kann, wenn die Bürger sich zu viel gefallen lassen oder vielleicht gerade dem Lobbyismus Aufgaben überlassen? Als hätten wir nicht die Absenkung des Rentenniveaus erlebt und anderes, was hat das mit dem BGE zu tun? Es scheint bloß eine Ausflucht vor ihm zu sein.
„Sollen Millionen Deutsche auf so einer wackligen Basis ihr Leben planen? Dabei überzeugt auch nicht, dass sich gerade Digitalmilliardäre des Silicon Valley, die ansonsten nicht unbedingt für ihr Sozialgefühl bekannt sind, für ein Grundeinkommen starkmachen. Denn die haben ein höchst egoistisches Motiv für ihr Werben: Sie fürchten die zweite, bessere Alternative, die Gewinne der Maschinenära fair zu verteilen – durch eine gewisse Umverteilung des Kapitals.“ Die Arbeitnehmer erhalten dabei in größerem Umfang Anteile an den Unternehmen – und profitieren damit direkt von den wachsenden Erträgen der Maschinen. Sie hätten Eigentum, keine Subvention wie beim Grundeinkommen. Eigentum plus demokratische Entscheidungsmacht: So kommt die Masse der Menschen in die Maschinenära, ohne zu verelenden.“
Wie genau stellt sich Hagelüken das denn vor? Will er Aktien verteilen? Da ihr Wert jedoch schwankt, müssten sich Aktienbesitzer stets darum kümmern, wie die Kurse sich entwickeln und sich wie Finanzinvestoren verhalten. Und wer Besseres als das zu tun hat und seine Lebenszeit nicht damit verbringen will? Dem würden diese Eigentumsanteile nicht weiterhelfen. Ein BGE hingegen schon, das eine umfassende Solidarleistung des Gemeinwesens darstellte, während Hagelükens Vorschlag die Bürger zu Kapitaleigentümern machte.
„Dieser Plan kommt Karl Marx‘ Vision vom Volkseigentum nahe. Natürlich wären dafür viele Fragen zu klären. Wie lassen sich die Arbeitnehmer an den Firmen beteiligen, ohne die Effizienz des kapitalistischen Modells zu opfern? Sozialistische Planwirtschaft will keiner. Man bräuchte also Marx ohne Murks. Und ohne Diktatur.“
Da scheint ein BGE doch viel näher zu liegen, viel geschmeidiger ins jetzige Gefüge zu passen und verlangte nicht, dass jeder sich wie ein Eigentümer um das Wohlergehen der Anteile kümmern müsste. Wenn Hagelüken am Ende Marx Vision aus „Die deutsche Ideologie“ zitiert, in der eine Gesellschaft ausgebreitet wird, „die einem „möglich macht, heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe„“, fragt man sich, weshalb das nun gegen ein BGE spricht. Und wie kommt Hagelüken darauf, dass sein Vorhaben eine kleinere Machtverschiebung wäre als ein BGE?
Sascha Liebermann