„Die Altersarmut kommt“ – und immer dieselben Empfehlungen…

…um dieser Entwicklung zu begegnen, das ist der Fall in Alexander Hagelükens Beitrag in der Süddeutschen Zeitung (siehe auch den Kommentar dazu auf den Nachdenkseiten). Als Gegenmaßnahme wird zu Beginn der Vorschlag einer Grundrente zitiert, der allerdings nur Personen mit 35 Beitragsjahren zustehen soll, also nur wenige erreicht. Die anderen hätten das nachsehen. Hagelüken kommt auch auf „verdeckte Armut“ zu sprechen, in der auch das Phänomen nicht in Anspruch genommener Leistungen zum Ausdruck kommt, weil Betroffene der Stigmatisierung ausweichen. Und dann? Zum Schluss dann die üblichen Empfehlungen:

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„Automatisierung könnte 560 000 Jobs schaffen“ oder was wäre, wenn radikaler automatisiert würde?

Diese Frage stellt sich anlässlich eines Beitrages von Alexander Hagelüken in der Süddeutschen Zeitung, denn er stellt sie nicht. Sein Beitrag beruft sich auf Daten einer Befragung von Unternehmen, in der nicht nur zukünftige Entwicklungen Gegenstand waren (bis 2021), sondern auch vergangene (ab 2016). Aus dem Beitrag:

„Die unveröffentlichte Untersuchung setzt sich ausführlich mit den vielen negativen Prognosen auseinander. Forscher wie Jeremy Bowles, Mika Pajarinen sowie Michael Osborne und Carl B. Frey beziffern in unterschiedlichen Studien 40 bis 60 Prozent der europäischen und amerikanischen Arbeitsplätze als automatisierbar. Das bedeutet aber nicht, dass unterm Strich ebenso viele Menschen arbeitslos werden, argumentiert das ZEW. Zum einen ermitteln andere Forscher etwa für Deutschland nur ein Automatisierungsrisiko von zwölf bis 15 Prozent. Zum anderen ersetzen Betriebe aus verschiedenen Gründen nicht alle Mitarbeiter, bei denen es technisch möglich wäre.“

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„Weg mit dem Fatalismus“ – Machtverhältnisse, Eigentum und Bedingungsloses Grundeinkommen

Alexander Hagelüken befasste sich in seinem Beitrag „Marx und die Roboter“ in der Süddeutschen Zeitung mit der Debatte über etwaige Folgen der Digitalisierung, wie der Blick weg von der Angstdiskussion (Arbeitsplatzverlust) zu den Möglichkeiten der Digitaltechnologie geführt werden könnte. Hagelüken betreibt keine Schwarz-Weiß-Malerei. Gegen Ende kommt er dann auf ein Bedingungsloses Grundeinkommen zu sprechen und schreibt:

„In einer Demokratie sollte die Macht aber bei der Mehrheit liegen, bei den Arbeitnehmern, deren Einkommen schrumpfen dürfte. Sie müssten die Parteien drängen, die Gewinne der Maschinenära fair zu verteilen.“

Ja, diese Macht muss ergriffen werden, dazu müssten sich die Bürger artikulieren. Macht hat immer zwei Seiten, die einen, die sie nutzen und die anderen, die ihre Möglichkeiten nicht nutzen. Hier sieht Hagelüken die Verknüpfung zum BGE:

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„Große Rentenlücke trifft Millionen Deutsche“…

…schreibt Alexander Hagelüken in der Süddeutschen Zeitung. Eine etwas ausführlichere Besprechung der Studie von Stefan Sell findet sich hier. Am Ende zitiert Sell, was die Autoren des DIW vorschlagen, um die Rentenlücke zu schließen bzw. ihr entgegenzuwirken:

„Welche Schlussfolgerungen ziehen die Studienautoren aus den Ergebnissen?

»Um das System der Alterssicherung zu reformieren, stehen der Politik unterschiedliche Instrumente zur Verfügung. Hierzu zählt unter anderem die Möglichkeit, ein weiteres Absinken des Rentenniveaus zu begrenzen und sich dabei stärker am österreichischen Modell, das mehr auf die erste Säule der Alterssicherung setzt, zu orientieren. In Frage kommt auch, zugunsten von Geringverdienenden das bis­her angewendete strikte Äquivalenzprinzip aufzuweichen, verbunden mit einer Aufhebung der Beitragsbemessungs­grenze, oder auch den Kreis der Versicherten auszuwei­ten. Zudem sollten bessere Anreize zur Bildung privaten Vermögens gesetzt werden, zum Beispiel durch eine Umlei­tung der staatlichen Zuschüsse für Riester­-Renten in Rich­tung eines kapitalgedeckten Modells wie des Schwedenfonds oder der Deutschlandrente.« (Grabka et al. 2018: 818)“

Eine Untergrenze jenseits von Erwerbstätigkeit, wie sie das Bedingungslose Grundeinkommen darstellt, wird offenbar nicht in Erwägung gezogen. Wer sich eingehender damit befassen möchte, wie das Rentenniveau definiert wird, es gibt verschiedene Bezugsgrößen, dem sei dieser Beitrag von Stefan Sell empfohlen.

Sascha Liebermann

„…lieber im geltenden System […] bleiben“…

…so wird der Wirtschaftswissenschaftler Peter Bofinger im Beitrag von Alexander Hagelüken, „Der Absturz lässt sich stoppen“, in der Süddeutschen Zeitung, zitiert. Es geht darin vor allem um die Digitalisierung und ihre etwaigen Folgen, das Sinken der Erwerbsarbeitszeit seit dem Jahr 2000, Produktivität usw. Dann führt Hagelüken das Grundeinkommen als etwas an, das „neben den linken Initiatoren“ nun auch von Unternehmesvorständen vertreten werde. Abgesehen, dass dies historisch so nicht eingeordnet werden kann, stimmt es nicht einmal für die jüngere deutsche Diskussion, wenn man an das Engagement von Helmut Pelzer, Götz W. Werner und manch andere denkt, die von Anfang an sich für das BGE eingesetzt haben. Man wundert sich manchmal, wie Journalisten recherchieren oder ob sie überhaupt recherchieren. Dann folgt dieser Absatz:

„Dann beginnen die Fragen: Wie viel? Die 560 Euro, die beim Modellversuch in Finnland an Arbeitslose fließen, werden vielen Menschen zu wenig sein. Für 1200 bis 1400 Euro, die ebenso im Gespräch sind, gilt dies womöglich auch, allemal, wenn davon Kinder satt werden müssen. 1400 Euro entsprechen dem, was in Deutschland mit Mindestlohn zu verdienen ist. Brutto. Wer macht noch solche Jobs, wenn er das Geld auch so kriegt, und ist das Grundeinkommen finanzierbar, wenn es sehr viele in Anspruch nehmen? Ist es überhaupt finanzierbar? Wie stehen die Bezieher der Grundeinkommens da, wenn jene Steuerzahler, die es finanzieren, politisch eine Abschaffung durchsetzen?“

Beim BGE soll es sich ja um ein Individualeinkommen handeln, in einem Haushalt kumuliert es also zu sovielen BGE wie es Personen gibt. Selbst ein BGE in der Höhe von 800 Euro würde hier – je nachdem, was davon bezahlt werden muss – zu einem Haushaltseinkommen bei drei Personen von 2400, bei vier von 3200 Euro führen. Ist das zu wenig, um davon „satt werden“ zu müssen? Eine sonderbare Perspektive. Bedenkt man darüber hinaus, dass über Erwerbstätigkeit weitere Einkommen hinzukommen könnten, wundert man sich um so mehr.

Interessanter als die Nachlässigkeiten Hagelükens ist aber die Bemerkung Bofingers über das „geltende System“. Sicher, man kann es sich einfach machen, und damit die heute mit Leistungsbedingungen versehenen, bereitgestellten Einkommen der verschiedensten Art bezeichnen (Rente, Arbeitslosengeld, Sozialhilfe usw.). Das ist aber nur ein Teil des „Systems“, denn das andere würde einem BGE ganz entsprechen: die demokratische Verfasstheit mit ihren ausdrücklichen Geltungsbedingungen. Dass alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht, dieses Volk sich durch die Staatsbürger bildet und die Stellung der Staatsbürger, also als Souverän, durch bedingungslose verliehene Rechte geschaffen und abgesichert ist. Diese Seite des Systems, das in gewissem Widerspruch zu unserem heutigen Gefüge sozialer Sicherung steht, ruft geradezu nach einem BGE. Doch das wird viel zu wenig gesehen und entsprechend zu wenig darüber diskutiert.

Sascha Liebermann

„Der Mensch schafft sich ab“ – eine Überschätzung der Digitalisierung

Die Diskussion um etwaige Folgen der Digitalisierung hält an, da niemand genau weiß, was auf uns zukommt, jedoch technologische Möglichkeiten Veränderungen in einem Ausmaß bergen könnten, das verunsichert. Alexander Hagelüken widmet in der Süddeutschen Zeitung dieser Thematik einen längeren Beitrag mit einem irreführenden Titel. Er schließt seine Betrachtungen mit folgendem Abschnitt:
 
„Es gibt eine bessere Idee als ein Grundeinkommen
Als Antwort auf diese absehbare Spaltung der Gesellschaft findet vermehrt ein Grundeinkommen Anhänger. Doch es ist nur eine zweitbeste Idee, da ein Grundeinkommen Almosen ist, das sich jederzeit widerrufen lässt. Wer den Wohlstand des Maschinenzeitalters wirklich gerechter verteilen will, sollte die Arbeitnehmer an den Gewinnen der Unternehmen beteiligen. Als Aktionäre mit breit gestreuten Anlagen, nach einem Konzept, das noch formuliert werden muss, vielleicht in Form staatlich kontrollierter Fonds, die Profis managen.

Kein Zweifel: Der digitale Kapitalismus könnte eine Schlagseite bekommen, die unsere Gesellschaften bis zur Unkenntlichkeit verändert. Arbeiteraktionäre wären eine erzkapitalistische Antwort mit sozialem Impetus, die ein solches Drama verhindern könnte. Sie bedeuten eine Verteilung der Macht, keine Almosen. Kein Wunder, dass die Silicon-Valley-Millionäre, die ihre Macht nicht schmälern wollen, lieber das Grundeinkommen favorisieren.“

Wie kommt der Autor darauf, dass ein Grundeinkommen „ein Almosen“ sei? Ist jede Form der Finanzierung öffentlicher Aufgaben dann ein „Almosen“? Almosen sind freiwillige Hilfeleistungen aus Mildtätigkeit, so das verbreitete Verständnis, in religiösen Zusammenhängen allerdings gelten sie durchaus als Pflicht – eine Pflicht ohne Rechtscharakter allerdings. Wenn darin das entscheidende Kriterium besteht, wäre ein Grundeinkommen gerade kein Almosen, da es Rechtscharakter erhalten soll. Und weshalb soll es problematisch sein, dass ein Grundeinkommen sich widerrufen lässt? Jede Leistung innerhalb eines Gefüges sozialer Sicherung lässt sich widerrufen in dem Sinne, dass sich Gesetze ändern lassen. Das gilt grundsätzlich ebenso für Eigentümsansprüche an Unternehmen in Gestalt von Aktien. Für diese Form soll dann, so seine Überlegung, der Staat die Kontrolle übernehmen. Warum dann nicht für ein Grundeinkommen?

Schlussfolgerungen, die keine sind, kann man da nur festhalten. Ein Grundeinkommen, ein bedingungsloses, wäre eben etwas, das durch ein Gemeinwesen garantiert werden muss, in der Tat als Rechtsanspruch.

Sascha Liebermann