Weit verbreitet…

…, wirklich erstaunlich, worauf man immer wieder stößt. Man sollte sich in der Tat durch die vehemente Verteidigung des Bürgergeldes durch die Befürworter nicht darüber täuschen lassen, dass vor wenigen Jahren noch selbst solch zaghafte Erleichterungen abgelehnt worden wären. Die Geistesverwandtschaft ist groß, sie der Grund für das Fortbestehen der Sanktionsbewehrung.

Sascha Liebermann

„…lieber im geltenden System […] bleiben“…

…so wird der Wirtschaftswissenschaftler Peter Bofinger im Beitrag von Alexander Hagelüken, „Der Absturz lässt sich stoppen“, in der Süddeutschen Zeitung, zitiert. Es geht darin vor allem um die Digitalisierung und ihre etwaigen Folgen, das Sinken der Erwerbsarbeitszeit seit dem Jahr 2000, Produktivität usw. Dann führt Hagelüken das Grundeinkommen als etwas an, das „neben den linken Initiatoren“ nun auch von Unternehmesvorständen vertreten werde. Abgesehen, dass dies historisch so nicht eingeordnet werden kann, stimmt es nicht einmal für die jüngere deutsche Diskussion, wenn man an das Engagement von Helmut Pelzer, Götz W. Werner und manch andere denkt, die von Anfang an sich für das BGE eingesetzt haben. Man wundert sich manchmal, wie Journalisten recherchieren oder ob sie überhaupt recherchieren. Dann folgt dieser Absatz:

„Dann beginnen die Fragen: Wie viel? Die 560 Euro, die beim Modellversuch in Finnland an Arbeitslose fließen, werden vielen Menschen zu wenig sein. Für 1200 bis 1400 Euro, die ebenso im Gespräch sind, gilt dies womöglich auch, allemal, wenn davon Kinder satt werden müssen. 1400 Euro entsprechen dem, was in Deutschland mit Mindestlohn zu verdienen ist. Brutto. Wer macht noch solche Jobs, wenn er das Geld auch so kriegt, und ist das Grundeinkommen finanzierbar, wenn es sehr viele in Anspruch nehmen? Ist es überhaupt finanzierbar? Wie stehen die Bezieher der Grundeinkommens da, wenn jene Steuerzahler, die es finanzieren, politisch eine Abschaffung durchsetzen?“

Beim BGE soll es sich ja um ein Individualeinkommen handeln, in einem Haushalt kumuliert es also zu sovielen BGE wie es Personen gibt. Selbst ein BGE in der Höhe von 800 Euro würde hier – je nachdem, was davon bezahlt werden muss – zu einem Haushaltseinkommen bei drei Personen von 2400, bei vier von 3200 Euro führen. Ist das zu wenig, um davon „satt werden“ zu müssen? Eine sonderbare Perspektive. Bedenkt man darüber hinaus, dass über Erwerbstätigkeit weitere Einkommen hinzukommen könnten, wundert man sich um so mehr.

Interessanter als die Nachlässigkeiten Hagelükens ist aber die Bemerkung Bofingers über das „geltende System“. Sicher, man kann es sich einfach machen, und damit die heute mit Leistungsbedingungen versehenen, bereitgestellten Einkommen der verschiedensten Art bezeichnen (Rente, Arbeitslosengeld, Sozialhilfe usw.). Das ist aber nur ein Teil des „Systems“, denn das andere würde einem BGE ganz entsprechen: die demokratische Verfasstheit mit ihren ausdrücklichen Geltungsbedingungen. Dass alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht, dieses Volk sich durch die Staatsbürger bildet und die Stellung der Staatsbürger, also als Souverän, durch bedingungslose verliehene Rechte geschaffen und abgesichert ist. Diese Seite des Systems, das in gewissem Widerspruch zu unserem heutigen Gefüge sozialer Sicherung steht, ruft geradezu nach einem BGE. Doch das wird viel zu wenig gesehen und entsprechend zu wenig darüber diskutiert.

Sascha Liebermann

„Wir leben nicht über unsere Verhältnisse“…

…wir bleiben vielmehr unter unseren Möglichkeiten. Dieses Fazit könnte man aus einem Beitrag in der Süddeutschen Zeitung ziehen, der von Gerd G. Wagner (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) verfasst wurde. Peter Bofinger hat vor mehr als einem Jahr schon darauf hingewiesen, dass wir unter unseren Verhältnissen leben.

„Deutschland lebt unter seinen Verhältnissen“

In den letzten Tagen und Jahren wurde immer wieder behauptet, wir hätten über unsere Verhältnisse gelebt. Das bleibt nicht ohne Folgen, es schürt Ängste und verbreitet die Auffassung, Sparen sei der beste Ausweg. Peter Bofinger, Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, schätzt das ganz anders ein. Zum Beitrag in der Süddeutschen Zeitung.

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