…so würde ich Norbert Härings Ausführungen zum Ehegattensplitting einordnen, in dem er wie schon manch anderer zuvor, die einseitige Kritik am Ehegattensplitting, das den „Arbeitsanreiz“ schwäche, wiederum kritisiert. Für diejenigen, die hinter der Abschaffung ein vermeintlich progressives Vorhaben vermuten, sei der Beitrag besonders zu empfehlen. Häring schreibt in diesem Zusammenhang aber auch Dinge, die so nicht zu erwarten waren, wenn man sich seiner Ausführungen gegen ein Bedingungsloses Grundeinkommen erinnert. So heißt es z. B. hier:
„Denn der künstlich geschaffene Zwang, seine Arbeitskraft dem Industriekapital anzubieten, war überall eine wichtige Zutat bei der Ausbreitung dieser Wirtschaftsform. Neben dem Vertreiben von Subsistenzbauern von ihrem Land war das Auferlegen von Steuern eines der beliebteren Mittel, die Menschen zu zwingen, ihre Arbeitskraft zum Markt zu tragen. Um nichts anderes geht es hier.“
Diese Erläuterung folgt auf eine vorangehende Passage, in der er es verteidigt, wenn in einer Ehe der eine, er spricht über die Frau, sich entscheidet, mehr für die Kinder dazu sein oder sich anderweitig zu engagieren, statt ebenso in den Arbeitsmarkt zu streben oder streben zu sollen. Wäre hieraus zu schließen, dass Häring ein differenziertes, leicht distanziertes Verhältnis zu Erwerbstätigkeit hat, sie nicht glorifziert und überhöht, wie es allerorten zu vernehmen ist? Genau so würde ich die Passage verstehen. Würde dann nicht viel dafür sprechen, die normative Stellung von Erwerbsarbeit noch weiter zu relativieren und tatsächlich mehr Freiräume für ein Leben diesseits der Erwerbsarbeit zu schaffen? Auch das würde ich daraus folgern. Dann wäre der Schritt zu einem BGE letztlich nur recht klein. Härings frühere Äußerungen dazu allerdings sprechen eine andere Sprache, die der deutlichen Zurückweisung eines BGE, „schlecht“ sei es und „in sich widersprüchlich“.
Eine andere Passage aus dem Beitag ist ebenfalls interessant:
„Steuersystematisch spricht wenig bis nichts für die Abschaffung des Ehegattensplittings, solange man nicht rein individualistisch argumentiert, sondern Ehe und Familie akzeptiert – als Einheiten, deren Mitglieder füreinander einstehen und einen gemeinsamen Lebensstandard teilen.“
Häring offenbart hier ein klares Verständnis von familialer Vergemeinschaftung und macht damit deutlich, wie abwegig manche Einwände gegen das Ehegattensplitting sind. Den Weg aus dem normativen Vorrang von Erwerbsarbeit hinaus eröffnen seine Ausführungen zwar, doch gehen wollte Häring ihn bislang nicht. Dazu müsste er in Richtung eines BGE argumentieren.
Sascha Liebermann